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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul
Autoren: Schutzengel
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gemeinsamen Freunde sagten, Paulo sei ein Hexer, und eines
Nachts hatte Chris den Pastor der protestantischen Kirche angerufen, in die sie
immer ging, um ihn zu bitten, für sie zu beten.
    Im ersten Jahr hatte Paulo kein
einziges Mal von Magie gesprochen. Er arbeitete in einer Schallplattenfirma,
und das war es.
    Im darauffolgenden Jahr verlief ihr Leben genauso. Dann kündigte er und wechselte zu einer anderen
Schallplattenfirma.
    Im dritten Jahr kündigte er erneut
(seine Manie, alles aufzugeben) und beschloss, fürs Fernsehen zu schreiben.
Sie fand das merkwürdig, jedes Jahr den Job zu wechseln - aber Paulo schrieb,
verdiente damit Geld, und sie lebten gut.
    Bis er am Ende des dritten Jahres
auch den Job beim Fernsehen hinwarf. Er gab keine Erklärungen, sagte nur, er
habe es satt, das zu tun, was er mache, es würde nichts bringen, immer wieder
zu kündigen und irgendwo anders neu anzufangen. Er müsse herausfinden, was er
wirklich wolle. Sie hatten etwas Geld angespart und beschlossen, durch die Welt
zu reisen.
    >In einem Wagen, genau wie
jetzt<, dachte Chris.
    In Amsterdam hatten sie dann J.
getroffen, als sie im Hotel Brouwer einen Kaffee
tranken und auf die Singelgracht schauten. Paulo war
ganz blass und nervös geworden. Schließlich hatte er Mut gefasst und war zum
Tisch dieses großen, weißhaarigen Mannes im Anzug hinübergegangen. Am Abend,
als sie beide wieder allein waren, hatte Paulo dann eine ganze Flasche Wein
getrunken (er vertrug nicht viel und war immer gleich betrunken) und ihr
gestanden, dass er sieben Jahre lang damit beschäftigt gewesen sei, Magie zu
erlernen (was sie bereits wusste, da Freunde es ihr erzählt hatten). Aber er
hatte es aus irgendeinem Grund (den er nie offenlegte ,
obwohl sie ihn mehrfach danach gefragt hatte) aufgegeben.
    »Aber vor zwei Monaten habe ich im
Konzentrationslager Dachau diesen Mann in einer Vision gesehen«, hatte er gesagt
und damit J. gemeint.
    Sie erinnerte sich an diesen Tag.
Paulo hatte heftig geweint; angeblich hatte er einen Ruf vernommen, aber nicht
gewusst, wie er ihm nachkommen solle.
    »Soll ich zur Magie
zurückkehren?«, hatte er sie gefragt.
    »Das solltest du«, hatte sie
darauf geantwortet, ganz sicher war sie sich allerdings nicht gewesen.
    Seit der Begegnung mit J. hatte
sich alles verändert. Es hatte Rituale, Exerzitien, Übungen gegeben und lange
Reisen mit J., bei denen das Datum der Rückkehr nie feststand. Es hatten
intensive Begegnungen mit seltsamen Männern und mit hübschen Frauen
stattgefunden, die eine ungeheure Sinnlichkeit ausstrahlten. Es hatte
Herausforderungen und Probleme gegeben, lange, schlaflose Nächte und lange Wochenenden,
an denen sie das Haus nicht verließen. Doch Paulo war zufriedener geworden,
kündigte nicht mehr ständig. Sie hatten gemeinsam einen kleinen Verlag
gegründet, und er hatte einen alten Traum verwirklicht - Bücher zu schreiben.
     
    E ndlich
tauchte eine Tankstelle auf. Ein junges, indianisch aussehendes Mädchen kam
heraus. Sie stiegen aus dem Wagen, um sich die Beine zu vertreten, während das
junge Mädchen den Tank füllte.
    Paulo nahm die Karte und verglich
die Route. Sie befanden sich auf dem richtigen Weg.
    >Jetzt entspannt er sich. Jetzt
wird er mit mir reden<, hoffte Chris.
    »Hat dich J. hierher geschickt,
damit du hier deinen Engel findest?«, fragte sie ganz vorsichtig. »Nein«, sagte
er.
    >Immerhin, er hat mir
geantwortet<, dachte Chris, während sie auf das satte Grün schaute, das von
der untergehenden Sonne angestrahlt wurde. Hätte sie unterwegs nicht immer
wieder auf die Karte geschaut, hätte sie selbst auch Zweifel gehabt, dass sie
auf dem richtigen Weg waren. Es mussten noch etwa zehn Kilometer bis zu ihrem
Ziel sein, aber die Szenerie schien ihnen zu sagen, dass sie noch sehr, sehr
weit davon entfernt waren.
    »J. hat mir nicht ausdrücklich
gesagt, dass ich hierher fahren soll«, fuhr Paulo fort. »Er meinte, jeder
andere Ort sei auch gut. Aber hier habe ich eine Kontaktperson, verstehst du?«
    Natürlich verstand sie ihn. Paulo
hatte immer Kontaktpersonen. Er sprach von diesen Menschen immer als von
»Angehörigen der >Tradition<«. Doch Chris nannte sie in ihrem Tagebuch
immer nur >die Konspiration<. Unter ihnen waren auch Hexen und Zauberer,
die einem Alpträume verschaffen konnten.
    »Jemand, der mit Engeln redet?«
    »Ich bin mir nicht sicher. J. hat
irgendwann ganz nebenbei einen Meister der Tradition erwähnt, der hier lebt
und der weiß, wie man mit Engeln redet.
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