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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul
Autoren: Schutzengel
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Aber es könnte auch nur ein Gerücht
sein.«
    Vielleicht meinte er das ernst.
Aber Chris wusste, dass er unter den vielen Orten, an denen er »Kontakte«
hatte, willkürlich einen herausgepickt hatte. Einen Ort, an dem er weit weg
vom Alltag war und sich besser auf »das Außergewöhnliche« konzentrieren
konnte.
    »Und wie wirst du mit einem Engel
reden?«
    »Das weiß ich nicht.«
    >Eine merkwürdige Art zu
leben<, dachte Chris. Sie folgte ihrem Mann mit den Augen, als er zu dem
indianischen Mädchen ging, um die Rechnung zu bezahlen. Er wusste nur, dass er
mit Engeln reden musste, mehr nicht! Dafür ließ er, was er gerade machte,
stehen und liegen, bestieg ein Flugzeug, flog die weite Strecke bis Los
Angeles, fuhr danach sechs Stunden bis zu dieser Tankstelle, wappnete sich mit
genügend Geduld, um vierzig Tage in der Gegend verbringen zu können - und das
alles nur, um mit seinem Schutzengel zu reden oder es vielmehr zu versuchen.
    Er lächelte ihr zu, sie lächelte
zurück. So schlimm war es doch auch wieder nicht. Sie hatten ihren
Alltagsärger, mussten Rechnungen bezahlen, Schecks ausstellen, aus reiner
Höflichkeit Leute besuchen, Unangenehmes schlucken.
    Aber dennoch glaubten sie an
Engel.
    »Wir werden es schaffen«, sagte
sie.
    »Danke für das >wir<«,
antwortete er. »Aber der Magier hier bin ich.«
     
    Das Mädchen von der Tankstelle
hatte ihnen bestätigt, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Zehn Minuten
fuhren sie schweigend dahin, jetzt mit abgestelltem Radio. Es gab eine kleine
Anhöhe, doch erst als sie hinaufgefahren waren und auf der anderen Seite ins
Tal sahen, wurde ihnen klar, wie hoch ihr Aussichtspunkt lag. Sie waren die
ganzen letzten Stunden, ohne es zu merken, stetig bergauf gefahren. Aber sie
waren angekommen.
     
    Er hielt den Wagen am Straßenrand
an und schaltete den Motor aus. Sie warf einen Blick zurück in die Richtung,
aus der sie gekommen waren: ja, nichts als grüne Bäume, Pflanzen, üppige
Vegetation.
    Doch vor ihnen erstreckte sich bis
zum Horizont die Mojave . Die riesige Wüste, die über
fünf amerikanische Staaten und bis nach Mexiko reicht, die Wüste, die sie als
Kind in so vielen Wildwestfilmen gesehen hatte, die Wüste, in der es Orte mit
seltsamen Namen wie Regenbogenwald oder Tal des Todes gab.
    >Sie ist rosa<, dachte
Chris, sprach es aber nicht aus. Paulo starrte auf die unendliche Weite, wer
weiß, vielleicht versuchte er herauszufinden, wo die Engel wohnen.
     
    B orrego Springs
erwies sich als so klein, dass man vom Hauptplatz aus sehen konnte, wo es
anfing und wo es aufhörte. Dennoch hatte der kleine Ort drei Hotels. Im Winter
kamen Touristen hierher, um Sonne zu tanken.
    Paulo und Chris ließen ihr Gepäck
im Zimmer und aßen in einem Restaurant mit mexikanischer Küche zu Abend. Der
junge Mann, der sie bediente, blieb lange in ihrer Nähe, um herauszubekommen,
welche Sprache sie sprachen, und da er es nicht schaffte, fragte er sie
schließlich. Als er erfuhr, dass sie aus Brasilien kamen, meinte er, er habe
noch nie einen Brasilianer kennengelernt .
    »Jetzt kennen Sie gleich zwei«,
sagte Paulo lachend. >Wahrscheinlich wird es am nächsten Tag der ganze Ort
wissen<, dachte er. In Borrego Springs gab es
nicht viele Neuigkeiten.
    Sie beendeten die Mahlzeit und
schlenderten Hand in Hand durch die Außenbezirke des Ortes. Paulo wollte die
Wüste betreten, die Wüste spüren, die Luft der Mojave einatmen. Und so stolperten sie schließlich über den mit Steinen und
Felsbrocken übersäten Wüstenboden. Nach einer halben Stunde hielten sie an,
drehten sich um und konnten im Osten die wenigen fernen Lichter von Borrego Springs sehen.
    Dort in der Wüste war der Himmel
besonders klar. Sie setzten sich auf den Boden, und als sie Sternschnuppen
sahen, wünschte sich jeder von ihnen etwas anderes. Der Mond schien nicht, aber
die Sterne funkelten.
    »Hast du auch schon das Gefühl
gehabt, dass in bestimmten Augenblicken deines Lebens jemand beobachtet, was
du tust?«, fragte Paulo.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es eben. Es sind
Augenblicke, in denen wir, ohne dass uns dies bewusst wird, die Gegenwart von
Engeln wahrnehmen.«
    Chris erinnerte sich an ihre
Jugend. Damals war dieses Gefühl sehr viel stärker gewesen.
    »In solchen Augenblicken«, fuhr er
fort, »beginnen wir, eine Art Film zu schaffen, in dem wir die Hauptdarsteller
sind und in der Gewissheit agieren, dass jemand zuschaut.
    Doch je älter wir werden, desto
lächerlicher finden wir das. Wir
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