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Snow Angel

Snow Angel

Titel: Snow Angel
Autoren: Izabelle Jardin
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1. Kapitel
     
     

    Endlich! Drei freie Tage!
    Die letzten Wochen sind fürchterlich gewesen. Irgendwie hatten alle Lehrer gemeint, sie müssten unbedingt den Druck noch mal richtig erhöhen und alle ausstehenden Klausuren des Semesters in die knappe Zeit vor den Zeugnissen quetschen. Hätte man das nicht vor den Weihnachtsferien erledigen können? Nina hat die Nase kaum vor die Tür bekommen, denn die Ehrenrunde nach dem folgenreichen Skiunfall im letzten Winter hat sie ein ganzes Jahr gekostet. Nun ist sie mit Abstand die Älteste in ihrer Klasse. Und noch ein Schuljahr mehr? Nein danke! 
    Während die meisten Klassenkameraden sich nach Schulschluss in der Stadt zum Chillen in den angesagten Kneipen treffen, hat sie nur einen Wunsch: Raus! Frische Luft atmen, sich austoben, laufen, bis die Lunge pfeift, sich den Büchermief aus den Haaren schütteln. Alle nett gemeinten Angebote, sich begleiten zu lassen, hat sie abgelehnt. Sie will allein sein. 
    Die Sonne scheint an diesem Nachmittag endlich mal. Es hat seit zwei Tagen ununterbrochen geschneit. Mindestens fünfzig Zentimeter weiß glitzernder Pracht sind schon zusammengekommen. Im Gepäck hat sie ihre Langlaufski, und das Eis unter den Reifen ihres Golf knirscht gefährlich, als sie die Auffahrt ihres Elternhauses hinunterdonnert. 
    Je weiter sie aus der Stadt hinausfährt, desto einsamer wird es auf der Landstraße. Kaum ein Auto kommt ihr mehr entgegen. Der Schnee, der im Ort zusammengeschoben, zerfahren und schmutzig grau aussieht, hat die Landschaft hier draußen mit einem sauberen unberührten Tuch zugedeckt. Gewaltig und dunkel hebt sich das Bergmassiv gegen den blass blauen Winterhimmel ab. Hell zeichnen sich die breiten Schneisen der bekannten Skiabfahrten an den Hängen ab. 
    Morgen spätestens werden sie die Lifte öffnen. Dann wird die Stadt wieder voll sein von Tagestouristen und man bekommt im Gedränge kaum noch einen Fuß vor den anderen. Die enormen Regenmengen hatten in den vergangenen Wochen bis über Neujahr verhindert, dass die Haupteinnahmequelle der Region zu sprudeln begann. Bei den Kaufleuten und Hotelbesitzern war bereits leise Panik über die schwindenden Buchungszahlen zu bemerken gewesen. Erst der plötzliche, ersehnte Wetterwechsel hatte alle Sorgen besänftigt und über Nacht ein eisiges Wintermärchen gezaubert.
     
    Auf dem Waldparkplatz ist keine Menschenseele. 
    Gut so, endlich Ruhe
, sagt sich Nina und nimmt den Weg über ihre bevorzugte gespurte Loipe. Ganz leicht ist der Anstieg hier. Bestens geeignet, um in dem neuen, rot glänzenden Skianzug langsam richtig warm zu werden. Nina atmet tief durch, bemerkt ihre schlappe Kondition und sucht sich ihren gleichmäßigen, ruhigen Rhythmus beim Laufen. Der Wechsel zwischen den Schatten, dort wo die tief verschneiten Tannen dicht stehen, und der grellen Sonne an lichteren Stellen, strengt die Augen an. 
    Neben dem Weg führen Spuren von Hasen und Rehwild in den Wald, verlieren sich im Unterholz. Ein paar Bussarde kreisen über ihr. Die Futtersuche muss in der tief verschneiten Landschaft anstrengend sein. Sie bleibt einen Augenblick lang stehen, sieht den Greifvögeln nach, horcht.
    Wie unglaublich still der Wald ist!
    Nur der eigene Atem ist zu hören. Vernehmbar pocht der Puls in ihren Schläfen, wird leiser, als sie einen Moment ausgeruht hat. Sie schaut den Fähnchen nach, die ihr Atem in die eisige Luft zeichnet, und spürt, dass sie langsam runterkommt. 
    Nina hat sich die Fünf-Kilometer-Runde vorgenommen, die ihr seit Jahren vertraut ist. Die Loipe ist immer gut präpariert und nicht zu lang für den Anfang nach der ausgedehnten Couchpotatoe-Zeit über den Büchern. Es ist heute das erste Mal in diesem verdammt arbeitsreichen Winter, dass sie hierherkommt, aber sie kennt jeden Baum, jede Windung des Weges, jeden Hochstand, jede Wildfütterungsstelle genau. 
    Auf einen ganz bestimmten Anblick hat sie sich schon während der Fahrt gefreut. Je näher sie der Stelle kommt, desto zügiger gleiten ihre Ski durch den Schnee. Die Sonne steht bereits recht tief und ein kurzer Blick auf die Uhr signalisiert ihr, dass sie Gas geben muss, wenn sie sich die kleine geplante Ruhepause gönnen will. Bald wird es zu dämmern beginnen, aber die Strecke ist noch vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. 
    Als sie die altbekannte Haarnadelkurve, in der sie die Bretter bergab mal richtig laufen lassen kann, hinter sich hat, tut sich der Wald auf und vor ihr liegt im Licht der
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