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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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zwei Teehäuser im Botanischen Garten von
Melbourne gibt, und so hätten wir uns um ein Haar verpasst. Ich glaube, es war
eine Kombination der beiden Ereignisse, die mich auf die Idee gebracht hat,
dieses Buch zu schreiben. So funktioniert das meistens. Ein paar solche
Einfälle ... reiben sich eine Zeitlang aneinander.« Er sah mich fragend an. Ich
wollte ihn gar nicht mehr unterbrechen, es hatte mir (nicht zum ersten Mal an
diesem Tag) die Sprache verschlagen. »Kommt Ihnen irgendetwas davon bekannt
vor?«
    Meine Kehle war
knochentrocken.
    »Ich glaube, ich fange an zu
verstehen«, brachte ich schließlich hervor.
    »Und wie fühlt sich das an?«,
fragte er. »Teil der Geschichte eines anderen zu sein?«
    »Ich ... weiß nicht genau«,
antwortete ich und wählte sorgsam meine Worte. »Ich glaube, ich brauche eine
Weile, mich daran zu gewöhnen.« Und dann fragte ich ihn, mit sinkendem Mut,
weil ich meinte, die Antwort im Voraus zu kennen: »Spielen in Ihrem Buch
womöglich auch Zahnbürsten eine Rolle? Oder vielleicht Donald Crowhurst?«
    »Ist das nicht seltsam«, sagte
der Schriftsteller, »aber beides spielt eine Rolle. Mir kam es darauf an, die
Geschichte um einen kleinen Haushaltsgegenstand herum zu entwickeln - etwas,
das wir alle jeden Tag benutzen, ohne groß über die politischen oder
ökologischen Implikationen nachzudenken. Es hat mich einige Mühe gekostet, mir
etwas Sinnvolles einfallen zu lassen, und eigentlich war es meine Frau, die auf
die Zahnbürste gekommen ist. Und kurz darauf habe ich in London mit Laura
Kaffee getrunken; Laura ist Kunstkritikerin und hat mir von den Arbeiten
erzählt, zu denen sich Tacita Dean durch die Crowhurst-Geschichte hat
inspirieren lassen, und sie war es auch, die mich auf das brillante Buch von
Nicolas Tomalin und Ron Hall aufmerksam gemacht hat. Daran sehen Sie - um auf
Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen -, dass ich mir normalerweise alle
möglichen Ideen von überallher zusammensuche, und wenn ich sie miteinander in
Zusammenhang bringe, kommen wieder andere Dinge zum Vorschein. Andere Menschen,
um es präzise zu sagen. Figuren. Oder, in diesem speziellen Fall« - er sah mir
jetzt direkt in die Augen - »Sie.«
    Plötzlich kam ich mir vor wie
der Held in einem zweitklassigen Agentenfilm, der gerade feststellt, dass er
direkt in die Falle getrampelt ist, die ihm von den Schurken gestellt worden
war.
    »Ich verstehe. Das bin also
... ich, richtig?«, sagte ich und spielte vor allem auf Zeit. »Das bloße
Produkt Ihrer Ideen, ist es so? Also, ich muss sagen, meinem Selbstwertgefühl
tut das nicht besonders gut.«
    »Versuchen Sie einmal«,
antwortete er, »es so zu betrachten, dass es auch nicht viel schlimmer ist als
die Erkenntnis, dass man nur deshalb auf der Welt ist, weil es in London nicht
weit voneinander zwei Pubs gibt, die The Rising Sun heißen. Oder weil mit einer
Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Milliarde das Sperma Ihres Vaters mit der
Eizelle Ihrer Mutter kollidiert ist. Ehrlich, Max, ich würde sogar sagen, dass Ihre Existenz mehr Bedeutung hat
als die der meisten anderen Menschen.«
    Der Ton, in dem der
Schriftsteller mir das alles erzählte, war schwer einzuschätzen. Versuchte er,
nett zu mir zu sein, oder spielte er mit mir wie die Katze mit der Maus, bevor
sie ihr den tödlichen Tatzenhieb versetzt?
    Ich schaute hinaus auf den
Strand. Seine Töchter hatten sich der Kleider entledigt, sprangen immer
abwechselnd in den Pool und kletterten wieder heraus. Vor dem Hintergrund der
Bucht und den ständig wechselnden Rosa- und Goldtönen der sterbenden Glut des
Sonnenuntergangs war es eine atemberaubende Szenerie. Mir kam es vor, als wäre
es Wochen her, dass Yanmei und ihre Freundin dort geschwommen waren. Mein
Gespräch mit Lian schien bereits in ein anderes Zeitalter zu gehören.
    »Verstehen Sie, ich habe mir
Ihre Reiseroute bis ins Detail ausgedacht«, sagte der Schriftsteller, ganz
schön großspurig, wie mir schien. »Angefangen mit dem Valentinstag 2009. Und
dann, als mir klar wurde, dass Sie zwei Tage später in Heathrow landen mussten,
und als mir einfiel, dass ich an diesem Tag selber dort sein würde, am selben
Morgen, auf meinem Weg zu ein paar Lesungen in Moskau, da dachte ich, es könnte
doch nett sein, Sie mir mal anzuschauen, während wir beide dort durchkamen.
Einfach, um zu sehen, ob auch alles nach Plan verlief. Immerhin fühlte ich mich
auch ein bisschen verantwortlich für Sie.«
    »Und Fairlight Beach, in
Sydney?« Ich bekam
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