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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke
Autoren: Bill Vidal
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Spanier. Aus mexikanischer Sicht stand er Cortéz näher als Moctezuma. Er war in Veracruz von strengen Jesuiten erzogen worden und später auf der Schule des Ordens in Madrid gewesen. Wie viele junge Männer seines Standes hatte er das Privileg seiner Geburt abgelehnt und sich den Prinzipien des Sozialismus verschrieben, doch anders als die meisten war er sein ganzes Leben lang Sozialist geblieben. Bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges war Florin Student der Geisteswissenschaften an
der Universität von Salamanca, und als André Marty die Internationalen Brigaden organisierte, trat er ihrer Offiziersklasse bei. El Azteca hatten sie ihn ironisch genannt. Sie liebten Spitznamen. El Campesino, La Pasionaria, Grishin, Tito, Orlow, Kolya. Noms de guerre.
    Am Restaurant angekommen, fragte Jesús, ob sie draußen auf der erhöhten Rasenterrasse über der Playa Azul bleiben könnten. Am Strand hatten sich bereits einige Familien zum Picknick eingefunden, und in beide Richtungen strömten die Autos. Der Kellner erkannte Florin und bemühte sich sehr um ihn. Selbst der Inhaber kam aus dem Hauptspeisesaal, um ihm die Hand zu schütteln und sich »Profesór Ad-Lay« vorstellen zu lassen.
    Sie bestellten Cristal-Bier und einen Teller Shrimps, an denen sie knabberten, während der Koch ihnen Reis mit Muscheln zubereitete.
    »Madrid 1936, ja? Das war keine richtige Schlacht, wissen Sie?«
    Anfänglich waren Francos Truppen schnell vorgerückt. Von der Pronunciamiento im Juli war seine Armee aus Afrika durch Andalusien und die Extremadura gerast. Im Oktober hatten sie Talavera und Toledo eingenommen und dann die Vororte von Madrid erreicht. Und dort blieben sie drei Jahre lang, in den Außenbezirken an der Westseite des Manzanares, bis sich die Stadt 1939 schließlich ergab.
    »Sie dachten, es würde Weihnachten vorbei sein.«
    Hadley fragte nicht, wer.
    Doch Florin beantwortete die nicht gestellte Frage: »Alle dachten das. Die Faschisten waren rasend schnell herangestürmt.« Er winkte mit der Hand nach oben, um Francos
Zug nach Norden zu beschreiben. »Im Herbst ’36 haben Yagües Moros an die Tore von Madrid geklopft.«
    Hadley nickte abwesend. Wie jeder gute Forscher wusste er, wann er schweigen musste.
    »Aber warum erzähle ich Ihnen das?«, sagte Florin und lachte laut. Er hatte ein ansteckendes Lachen, mit dem er plötzlich stakkatoartig herausplatzte und das ebenso schnell erstarb, wie es kam. An den umliegenden Tischen hörten die Leute das Lachen und lächelten zögernd zurück, als ob sie dadurch ein geheimes Wissen mit einer lebenden Legende teilten. »Sie sind schließlich Historiker. Sie kennen die Fakten.«
    »Ja«, gab Jack zu. »Aber wie war es wirklich? Ich meine, für die Menschen, die an den Kämpfen beteiligt waren?«
    »Das habe ich doch gesagt«, erwiderte Florin und nippte an seinem Bier. »Es war gar nicht wie eine Schlacht. Wir bezogen Positionen am Fluss, am Ostrand des Casa. Die Genossen der Marxistischen Arbeiterpartei und der Nationalen Arbeitergewerkschaft besorgten Laster und Busse. Einige deckten die nördliche Flanke an der Universität, andere verteidigten ihre Häuser in Carabanchel. Wir hatten bloß ein paar Uniformen und wenige Waffen. Und nur zu Beginn wurde wenigstens versucht, so etwas wie Disziplin in den Brigaden aufrechtzuerhalten. Einige dachten tatsächlich, dass man die Legion allein mit der Gerechtigkeit unserer Sache schlagen könnte«, sagte Florin abschätzig.
    Der Casa de Campo, den Philipp II. im sechzehnten Jahrhundert gekauft und als königliches Jagdgebiet genutzt hatte, war der Bevölkerung von Madrid von der republikanischen Regierung 1931 geschenkt worden. Die tausendsiebenhundert Hektar Land in den westlichen Vororten von
Madrid wurden mit Eichen, Eschen und den für Spanien typischen Encinas bepflanzt, die auf dem sanft hügeligen Gelände darum herumwuchsen.
    »Waren Sie bereits bei den Brigaden?«, fragte Hadley.
    »Ja. Die Elfte und Zwölfte waren aktiv. Aber wissen Sie, wie wir zum Casa de Campo kamen?«
    Hadley schüttelte den Kopf.
    »Wir haben die Straßenbahn genommen. Die Straßenbahn! Ich hätte fast geglaubt, die Wachen wollten mir einen Fahrschein verkaufen! Waren Sie mal dort?«
    »Ja.«
    »Nun, damals sah es dort nicht viel anders aus. Nur die Händler waren nicht da. Wenn man sich die wegdenkt, ist alles genauso wie früher.«
    Zwischen den Bäumen und Hügeln durchzogen unbefestigte Wege das Gelände. Wo früher der Adel gejagt und sich die
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