Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clementine schreibt einen Brief

Clementine schreibt einen Brief

Titel: Clementine schreibt einen Brief
Autoren: Sara Pennypacker
Vom Netzwerk:
»Etwas, bei dem er das Gefühl hat, dass es Glück bringt.«
    Meine Nachbarin Lilly malte ihr übliches Bild: Tulpen unter einem Regenbogen. Ihr Bruder Willy, der vor ihr saß, malte ebenfalls sein übliches Bild: einen Zombiehai mit langen spitzen Zähnen.
    Früher hatte ich immer Angst vor spitzen Gegenständen. Jetzt nicht mehr.
    Na gut, meinetwegen, ich habe noch immer Angst.
    Lilly beugte sich vor und bohrte Willy den Finger in den Nacken. »Willy«, mahnte sie. »Er ist bestimmt ein nervöses Wrack und fragt sich immerzu, ob er gewinnen wird. Wir sollen etwas zeichnen, von dem er glaubt, dass es Glück bringt.«
    Willy zuckte mit den Schultern. »Ich glaube schon, dass Zombiehaie Glück bringen«, sagte er. Er malte seinem Hai noch ein paar Zähne mehr.
    Ich bin eine so gute Künstlerin, dass ich kein übliches Bild habe. Ich kann alles zeichnen. Also zog ich meine Filzstifte hervor und versuchte, mir für meinen Lehrer etwas auszudenken, das Glück bringt. Und zum ersten Mal in meinem Leben fiel mir einfach … NICHTS ein.
     

     
    Ich saß nur da und starrte meine durchgestrichene Verbrecher-Zeichnung und meine Hand ohne Ideen an, bis ich einen Finger spürte, der sich in meine Seite bohrte.
    »Brontosaurus«, flüsterte Norris-Boris-Morris-Horace.
    Ich hätte fast gesagt, nein, es muss ein echter Name sein. Aber dann dachte ich: Na ja, ich habe einen Obstnamen, warum soll er dann nicht einen Dinosauriernamen haben? »Okay«, flüsterte ich zurück. »Norris-Boris-Morris-Horace-Brontosaurus. Aber das reicht. Nur ein Dinosauriername. Kein Stegosaurus. Kein Brachiosaurus.«
     

     
    »Clementine?«, Frau Nagel hatte sich an mich herangeschlichen. »Hast du mit Norris zusammen eine Stunde über Dinosaurier? Ihr solltet lieber an euren Glückwunschkarten arbeiten.«
    Ich spürte, dass meine Ohren so heiß und verlegen wurden, dass ich dachte, meine Haare würden Feuer fangen.
    In der Pause entschuldigte sich Norris dafür, dass er mir Schwierigkeiten gemacht hatte. »Bist du sauer auf mich?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich bin sauer auf sie. Und auf unseren Lehrer. Er hätte nicht gehen dürfen.«
    »Er konnte wahrscheinlich nichts dafür«, sagte Norris. »Wahrscheinlich hat Frau Rice ihn gezwungen.«
    »Du hast Recht! Sie ist seine Chefin, und da konnte er wahrscheinlich nicht anders. Und weißt du noch, dass er immer gesagt hat, wie gern er mit uns zusammen ist? Wahrscheinlich hat er jetzt schon Sehnsucht nach uns.«
    »Yep«, sagte Norris. »Wahrscheinlich.«
    Gleich fühlte ich mich viel wohler in meiner Haut. »He«, sagte ich. »Wie wär’s mit Doris?«
    Norris-Boris-Morris-Horace-Brontosaurus überlegte eine Weile, dann seufzte er. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich bin nicht sicher, ob ein Mädchenname eine gute Idee wäre. Norris zu heißen war immer schon schlimm genug.«

 

3. KAPITEL
    Als wir aus der Mittagspause zurückkamen, wartete eine schöne Überraschung auf mich: ein Pappteller mit einem Stück Apfel auf jedem Tisch. Sicher wollte Frau Nagel ihre Gemeinheit wiedergutmachen. Ich fand, ein Stück Apfel reichte da nicht, aber es war ein Anfang.
    Aber es wartete auch eine schlimme Überraschung auf mich. Zippy und Bump lagen in ihrem Käfig und bewegten sich nicht. Das hatte ich noch nie gesehen. Dann fiel mir etwas ein: Montags morgens ernannte Herr D’Matz als Erstes immer einen Hamsterhelfer für die Woche. Der Hamsterhelfer musste Zippy und Bump sofort Wasser und Futter geben, denn freitags bekamen sie nur gerade genug, um das Wochenende zu überleben.
    Herr D’Matz hatte keinen Hamsterhelfer ernannt. Sein Versprechen an die Hamster hatte er also auch vergessen. Und jetzt war schon Montagnachmittag!
    Ich rannte zum Käfig und füllte Fressnapf und Wasserspender. Während sie aßen, streichelte ich Zippy und Bump und sagte ihnen, wie leid es mir tat, dass wir sie vergessen hatten. Sie kamen mir noch immer ziemlich mager vor, deshalb steckte ich ihnen mein Apfelstück in den Käfig.
     

     
    »Clementine, geh auf deinen Platz«, brüllte Frau Nagel. Na gut, meinetwegen, so richtig gebrüllt war es nicht. Aber meine Ohren taten trotzdem weh davon. »Und wo ist dein wissenschaftliches Experiment?«
    »Mein wissenschaftliches Experiment?«
    »Ich habe auf jeden Tisch eine Apfelscheibe gelegt. Damit werden wir ein wissenschaftliches Experiment durchführen. Deine Apfelscheibe ist verschwunden.«
    »Ich dachte, das wäre ein Geschenk«, erklärte ich. »Ich habe sie Zippy und Bump gegeben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher