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Clementine schreibt einen Brief

Clementine schreibt einen Brief

Titel: Clementine schreibt einen Brief
Autoren: Sara Pennypacker
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Kinder gleichzeitig nach Luft. Das liegt daran, dass »D’Matz« fast wie ein Fluch klingt. Oder sogar wie zwei Flüche. Wenn man den ersten Teil sagt, dann hört es sich fast wie ein Wort an, das eine Mauer bezeichnet, die Wasser zurückhält. Wenn man den zweiten Teil sagt, dann kriegt man ein Wort, das irgendwie nach Vögeln klingt. Aber niemand würde auf die Idee kommen, dass es ein Name ist.
     

     
    Am ersten Schultag habe ich mir so große Mühe gegeben, bei keinem Teil des Namens einen Fehler zu machen, dass ich bei beiden einen gemacht habe. Das ist wirklich kein Witz.
    In der Pause habe ich mich entschuldigt und erklärt, dass ich den Namen nur falsch ausgesprochen hatte, weil ich solche Angst davor hatte, den Namen falsch auszusprechen. Herr D’Matz sagte, er könne das verstehen und außerdem habe es irgendwann sowieso mal passieren müssen.
    Aber seitdem nennen wir alle ihn nur »Herr Lehrer«. Wir wollen schließlich nichts riskieren.
    Ich nehme an, Frau Rice war es egal, ob sie einen Fehler machte. Sie dachte vermutlich: Wenn ich ins Büro der Rektorin geschickt werde, na und? Da wohne ich doch!
    »Herr D’Matz wird heute nach der Mittagspause aufbrechen – er wird die Woche beim Abenteuer für Lehrer -Komitee verbringen. Aber wir werden ihn am Freitag in der Stadthalle wiedersehen. Dort wird bei einer Feierstunde der Name des Lehrers bekanntgegeben, der gewonnen hat, und wir sind alle eingeladen. Und wenn er gewinnt, wird Herr D’Matz zu seinem großen Abenteuer nach Ägypten fliegen.«
    Wir schnappten alle abermals nach Luft, als sie seinen Namen nannte, und deshalb hätte ich fast verpasst, was sie als Nächstes sagte. Aber ich hörte es doch: »Was bedeutet, dass er für den Rest des Jahres nicht hier sein wird.«
     

     
    Frau Rice redete immer weiter, aber meine Ohren waren so voll mit für den Rest des Jahres nicht hier , dass ich nichts anderes mehr hören konnte.
    Ich schaute meinen Lehrer an. Ich wartete darauf, dass er aufsprang und rief: »Tut mir leid, Frau Rice, ich kann nicht für den Rest des Jahres weggehen, ich habe doch versprochen, hier zu sein. Ich habe mich vor die Klasse gestellt und gesagt: Ich werde in diesem Jahr euer Lehrer sein. Und es ist noch dieses Jahr, also muss ich hierbleiben und ihr Lehrer sein. Ich werde mein Versprechen nicht brechen.«
    Aber das tat er nicht. Er blieb einfach hinter dem Pult sitzen und lächelte Frau Rice an!
    »Das ist eine UNGEHEURE CHANCE«, sagte Rektorin Rice mit ihrer Großbuchstabenstimme. »Wir sollten alle sehr stolz auf Herrn D’Matz sein.«
    Alle klatschten in die Hände und machten Gesichter, als ob sie sich über diese UNGEHEURE CHANCE riesig freuten und unheimlich stolz auf unseren Lehrer wären. Ich aber nicht. Ich finde, ein gebrochenes Versprechen ist kein Grund, auf jemanden stolz zu sein.

 

2. KAPITEL
    Als wir zum Mittagessen gingen, sagte unser Lehrer: »Macht’s gut, wir sehen uns dann am Freitag.«
    Alle sagten, »ja, bis Freitag«, nur ich nicht. Meine Stimme funktionierte nicht.
    Ich nehme an, meine Füße funktionierten auch nicht. Alle anderen gingen, ich aber blieb in der Tür hängen.
    »Ja, Clementine?«, fragte mein Lehrer. »Ist alles in Ordnung?«
    »Natürlich«, sagte ich. Nur funktionierte meine Stimme noch immer nicht richtig, denn was herauskam, klang genau wie: »Nein!«
    »Nein?«, fragte der Lehrer. »Und willst du mir sagen, was nicht stimmt?«
    »Wieso haben Sie uns das nicht gesagt? Wieso haben Sie am Freitag gesagt, wir sehen uns nächste Woche?«
    »Da wusste ich noch nichts davon. Rektorin Rice hat mich ganz im Geheimen vorgeschlagen. Das waren die Vorschriften«, sagte er.
    »Und was ist mit all den Sachen, die Sie in diesem Jahr mit uns machen wollten? Was ist mit den Bruchrechnungskarten? Was ist mit unserem Wetter-in-aller-Welt-Projekt? Was ist mit dem Freund-der-Woche?«
    »Ich werde alle Pläne meiner Vertreterin hinterlassen. Ihr werdet die Projekte mit ihr zusammen machen.«
    »Aber Sie haben gesagt, wir würden das alles mit Ihnen zusammen machen.«
    »Ihr braucht mich nicht, um diese Sachen zu lernen.«
    »Aber was ist damit, dass ich mich in der dritten Klasse jetzt langsam eingewöhne? Und damit, dass wir zusammen gewogen werden?«
    Herr D’Matz ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken. »Ach«, sagte er. »Ich verstehe. Clementine, ich glaube, du gewöhnst dich in der dritten Klasse auch ohne mich ein. Ich glaube, du würdest das bei jedem Lehrer schaffen.«
    Ich sah ihn mit
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