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Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir
Autoren: M D Lachlan
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erwiderte Odos Blick, um die Reaktion des Grafen auf seine Worte zu erforschen. Als er nichts sah, fasste er dies als Ermutigung auf und fuhr fort: »Es gibt hierfür auch Vorbilder. Die Heilige Perpetua wurde im Amphitheater zu Rom von wilden Tieren in Stücke gerissen, weil sie sich weigerte, sich vom Herrn loszusagen. Man könnte durchaus behaupten, dies sei in gewisser Weise ein heidnisches Ritual gewesen.«
    Jehan zuckte und wand sich unbehaglich.
    »Das ist Sophisterei«, entgegnete er. »Ich bin nicht erbaut, dass wir unsere Philosophie benutzen, um das Mädchen zu ermorden.«
    »Was würdest du tun, Beichtvater, wenn sie dein Blut haben wollten?«
    »Ich würde gehen«, antwortete er.
    »Genau. Kannst du dann verlangen, man dürfe der Dame nicht einmal erklären, wie ruhmreich die Rolle der Märtyrerin ist, und dass sie ewiglich belohnt werden wird?«
    Der Beichtvater dachte einen Augenblick nach.
    »Das kann ich nicht«, gab er zu.
    »Wirst du dann mit ihr reden?«, fragte Ebolus.
    »Bringt sie dazu, lächelnd vor das Volk zu treten«, drängte Odo. »Das wird reichen.«
    »Aber Ihr hättet keine Einwände, wenn der Beichtvater sie an ihre Pflichten gegenüber der Stadt erinnert? Ihr werdet doch nicht erlauben, dass selbstsüchtiger Stolz Euer Urteil trübt und Euch das Notwendige verkennen lässt?«, fragte Ebolus.
    »Ich will nicht, dass man sie zwingt.«
    »Niemand redet von Zwang«, lenkte Ebolus ein. »Wir wollen sie einfach nur an ihre Christenpflicht erinnern, sich nicht wichtiger zu nehmen als ihren Nächsten. Beichtvater, kannst du das tun?«
    Wieder schwieg der fromme Mann. Nach einer Weile sagte er: »Ich will mit ihr sprechen, aber ich überrede sie nicht. Sie muss sich frei entscheiden.«
    »Dann lass uns nicht länger zögern«, drängte Ebolus.
    Jehan spürte eine starke Hand auf seinem Arm.
    »Konzentriert Euch darauf, dass sie sich dem Volk zeigen soll. Wenn ich feststelle, dass Ihr sie in irgendeiner Weise gezwungen habt, Mönch, dann werdet Ihr diese Stadt nicht mehr lebend verlassen.«
    Jehan lächelte. »Ich rechne nicht damit, irgendeinen Ort lebendig zu verlassen, Graf. Es wäre eine Anmaßung zu glauben, man könne Gottes Willen vorhersehen. Aber ich bin ein ehrlicher Mann und werde Eure Schwester ehrenhaft behandeln.«
    »Dann geht.«
    Jehan wurde angehoben und mitsamt seiner Bahre weggetragen. So durchquerten sie die Stadt. Er vernahm die Schreie verhungernder Kinder, das Husten der Seuchenopfer, Weinen und sogar trunkenen Gesang. Es war, so dachte er, die Musik der Verzweiflung. Gern hätte er dem Leiden abgeholfen, doch seine Heilkräfte waren sehr begrenzt. Manchmal bezweifelte er sogar, dass er überhaupt etwas vollbrachte, wenn er jemandem die Hände auflegte, um Schmerzen zu lindern oder einen Verrückten gesund zu machen. Oft musste er den Menschen auch sagen, dass ihre Zeit vorbei war und der Himmel schon auf sie wartete. Die Frommen hielten ihn für einen Heiligen, fühlten sich nach seinem Zuspruch besser und genasen oder starben manchmal auch. Die Gläubigen empfingen die größten Wohltaten. Wirkte Gott durch ihn? Natürlich wirkt Gott durch mich , dachte er. Wie könnte es anders sein?
    Er spürte, wie es bergauf ging. Die Männer rutschten auf dem Stroh aus, das auf den Pflastersteinen lag. Es war eine Menge Stroh, ein Teil roch frisch, der Rest stank nach Fäulnis. Beides war kein gutes Zeichen – man hatte es aus Freundlichkeit für die Bewohner der benachbarten Häuser ausgelegt, um den Lärm der Hufschläge und Wagenräder so gut wie möglich zu dämpfen. Diese Höflichkeit galt freilich vor allem denen, die schon auf dem Totenbett lagen. Er betete für sie. Ja, ihr Leben sollte verschont bleiben, und vor allem sollten sie vor Gott treten dürfen. Über den Rechtschaffenen besaß der Tod keine Macht.
    Er hatte hier eine Aufgabe zu erfüllen, dachte er. Er musste das Viaticum geben, die Menschen auf die Reise nach dem Tod einstimmen, sie von ihren Sünden freisprechen und sie auf die Aufnahme in den Himmel vorbereiten. Odo war der Ansicht, das Mädchen könne die Stadt retten. Aber nein, die Stadt konnte sich selbst retten. Die Einwohner mussten nur vor Gott niederknien, um Vergebung bitten und ihn in ihre Herzen aufnehmen. Dann verlor der körperliche Tod für alle, die hier lebten, genau wie für ihn selbst, seinen Schrecken.
    Stroh, um die Geräusche zu dämpfen . Dies hielt er für ein Symbol. Die sinnlose Anhaftung der Menschen an irdische Dinge, an die
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