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Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir
Autoren: M D Lachlan
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sein Äußeres alles in allem höchst beunruhigend.
    Seit ihrer Kindheit und noch mehr, seit sie eine Frau geworden war, besaß sie die Fähigkeit, die Menschen auf eine Weise wahrzunehmen, die über die normalen Eindrücke der fünf Sinne hinausging. Es war fast, als könne sie die Persönlichkeit der Menschen hören wie eine Musik, oder als sähe sie Farben und Symbole. Sie war inmitten von Kriegern aufgewachsen und hatte die Narben gesehen und die Geschichten von den Schlachten und tapferen Kämpfen gegen die Nordmänner gehört. Wenn die Männer gesprochen hatten, war die Farbe von Eisen vor ihrem inneren Auge erschienen. Schwerter und Rüstungen, der dunkle Himmel über dem Schlachtfeld. Ihr Bruder war ihr vorgekommen wie eine Faust im Panzerhandschuh. Hart und kompromisslos, aber irgendwie auch körperlos, ganz im Gegensatz zu Bruder Jehan. Der Körper des Mönchs mochte zerstört sein, doch seine Seele und die Willenskraft ruhten wie ein großer Berg in der Dunkelheit, fest und unerschütterlich.
    Sie nahm die Kerze und ging zum Altar. Die goldenen Kerzenhalter und Messbecher fingen die Flamme ein und glitzerten bei jeder Bewegung. Der Abt hatte sie nicht entfernen lassen, denn dies wäre dem Eingeständnis der Furcht gleichgekommen, die Nordmänner könnten hier eindringen. Man machte sich sogar Hoffnungen, die Mönche von Saint-Germain würden einige ihrer Reliquien schicken. Mit den Gebeinen des Heiligen Germanus selbst war kaum zu rechnen, aber es hieß, die Stola von Saint Vincent werde womöglich hierher überstellt. Allerdings hatte der Abt von Saint-Germain betont, das Kloster sei bereits dreimal von Nordmännern geplündert worden, und die Stola habe keinerlei Schutz geboten.
    Aelis kniete vor dem Altar nieder.
    »Gott hat auch mir eine Prüfung auferlegt, wenngleich eine kleinere. Soll ich ihm dankbar sein?«
    Jehan wog seine Worte sorgfältig ab.
    »Wir müssen für alles dankbar sein, was von Gott kommt.«
    Der Beichtvater war für sie nur eine Stimme in der Dunkelheit.
    »Ich fürchte mich nicht vor den Nordmännern«, entgegnete sie.
    »Wovor fürchtet Ihr Euch dann?«
    Aelis bekreuzigte sich. Jehan hörte, wie sie ein Gebet murmelte. Ihre Stimme bebte, auch wenn sie die Unsicherheit zu unterdrücken suchte, weil sie vor diesem Mann von niedriger Geburt nicht schwach erscheinen wollte.
    »Irgendetwas verfolgt mich, und ich weiß, wenn ich einwillige, mit den Nordmännern zu gehen oder auch nur diese Kirche verlasse, wird es mich finden und mich mitnehmen. Es bringt uns allen Unheil.«
    »Ihr könnt nicht Euer Leben lang in der Kirche bleiben«, widersprach der Beichtvater. »Was ist hinter Euch her?«
    Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Beichtvater, hattet Ihr nicht eine Vision, als Ihr erblindet seid?«
    »Ja.«
    »Von der Jungfrau Maria?«
    »Ja.«
    »Hat sie zu Euch gesprochen?«
    »Nein.«
    »Woher wisst Ihr dann, dass sie es war?«
    »Ich weiß es. Nicht zuletzt wegen der Gabe, die sie in mir weckte.«
    »Die Prophezeiungen?«
    »Ja.«
    Jehan erinnerte sich genau an den Tag, der sein Leben verändert hatte. Er war fünf oder sechs Jahre alt gewesen, als Jäger ihn im Wald gefunden und in einem Kloster im ostfränkischen Austrasien abgeliefert hatten. Er hatte unter einem Fieberwahn gelitten, nachdem er offenbar etwas Schreckliches erlebt und den größten Teil seiner Erinnerungen verloren hatte. Ein reisender Mönch hatte ihn schließlich in den Westen nach Paris mitgenommen, wo ihm die Kirche in ihrer Gnade einen Platz in Saint-Germain zugewiesen hatte. Er hatte sich erstaunlich schnell erholt. Mit neun Jahren hatte er den Mönchen geholfen, studiert, gespielt und gelacht. In vielerlei Hinsicht hatte er seine Altersgenossen übertroffen. Er hatte sich als begabter Schreiber erwiesen und auch Sprachen leicht erlernt – das vom einfachen Volk benutzte Romanisch, das bei Hofe gesprochene Fränkische, Latein für die kirchliche Liturgie, Griechisch und sogar Norwegisch und Sächsisch, soweit die Missionare ihn unterrichten wollten. Noch erstaunlicher war seine Begabung für das Schachspiel. Er hatte zwei Mönche spielen sehen und sich hingesetzt, um es selbst zu probieren. In seinem ersten Spiel hatte er einen der stärksten Spieler der Abtei besiegt. Es hatte geheißen, der Junge sei gesegnet.
    Dann war ihm die Jungfrau erschienen. Es war Hochsommer gewesen, der Hungermonat Juli, und er hatte nichts zu tun gehabt, außer auf den Feldern zwischen unreifen Halmen zu wandern. Die Sonne
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