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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa
Autoren: Jude Deveraux
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waren schwarz verfärbt. Er betrachtete stimrunzelnd den Sänger, der sich vor ihm produzierte, und die Nervosität des jungen Mannes machte sich bei jedem Wort, das er vortrug, bemerkbar. Die Luft war spannungsgeladen, während der Musikant versuchte, den König aufzumuntern. V
    Bei dem Schall, der in dem großen Raum erzeugt wurde, und bei der Steifheit, mit der alle zuhörten, war es kein Wunder, daß der König mißvergnügt sein mußte, dachte Clarissa. Nichts von der Musik, die hier erzeugt wurde, konnte ihn auch nur einen Augenblick seine Traurigkeit vergessen lassen. Wenn ich hier etwas zu sagen hätte, würde ich die Musiker zu einer Gruppe vereinigen und sie mit einer neuen Musik herausfordern. Und wenn sie dann Spaß daran hätten, würde auch der König sein Vergnügen finden.
    Clarissa saß noch ein paar Sekunden länger still. Elf Musiker trugen heute dem König vor. Seit einiger Zeit hielt er sich alleine in seinen Gemächern auf und weigerte sich sogar, der Beerdigung der Königin beizuwohnen. Clarissa hatte eine Woche warten müssen, ehe sie diese Chance bekam, für ihn zu spielen und zu singen. Und würde sie zittern und beben vor ihm, wie es die anderen vor ihm taten?
    Denke an Raine, sagte sie sich. Denke an alle Montgomerys.
    Sie holte tief Luft, stand auf, und nach einem stillen Stoßgebet gab sie ihrer Stimme den Atem frei.
    »Hier! « sagte sie laut zu dem Sänger. »Ihr werdet uns ja alle zu Tränen rühren. Was wir brauchen, ist Heiterkeit und nicht noch mehr Tränen. «
    Jemand legte warnend die Hand auf ihren Arm; doch Clarissa sah nur auf König Heinrich. »Mit Eurer Erlaubnis, Eure Majestät. « Sie machte einen Knicks, und der König winkte ihr lässig zu.
    Clarissas Herz lag in ihrer Kehle. Wenn sie jetzt nur noch die Musiker dazu bringen konnte, mitzuwirken. »Könnt Ihr eine Harfe spielen? « fragte sie einen Mann, der sie feindselig betrachtete.
    »Warte ab, bis du an der Reihe bist«, zischte er.
    »Ich habe mehr zu verlieren als du. Vielleicht können wir gemeinsam einen Zauber bewirken. « Sie legte den Kopf schief. »Oder ist dein Talent zu beschränkt? «
    Der Mann musterte sie mit nachdenklichem Blick und ging dann zur Harfe.
    Als wären die Musiker alle Chorknaben, die sie in Moreton unterrichtet hatte, begann sie die Männer herumzukommandieren und teilte ihnen verschiedene Instrumente zu, von denen es reichlich in der Kammer gab.
    Sobald sie Platz genommen hatten, eilte sie umher, gab hier eine Melodie an, dort einen Rhythmus. Als sie ungefähr die Hälfte der Musiker eingewiesen hatte, begann sie zu singen, und zwei der Musikanten waren sofort auf ihrer Seite. Grinsend griffen sie die Melodie auf und begleiteten sie.
    In ihrer Ungeduld schien ihr das alles viel zu lange zu dauern, und sie fühlte sich erst ermutigt, als der Mann am Cembalo seine Stimme mit ihrer vereinigte. Der Musikant an der Harfe griff ihre Melodie auf und bewies sein Talent mit diesen himmlischen Saiten.
    Clarissa hatte ein altes Lied gewählt, weil sie hoffte, daß jeder es kennen würde; aber vielleicht war es ihre Art, es wiederzugeben, was die Musikanten verlegen machte. Der Mann, dem sie das Tamburin gegeben hatte, ging zur Kesselpauke, die in einem schattigen Winkel versteckt gewesen war, und das Dröhnen brachte den Boden zum Vibrieren.
    Endlich, endlich schien jeder die Melodie aufgenommen zu haben, und Clarissa wagte sich umzudrehen und den König anzusehen. Sein Gesicht war unbeeindruckt; doch die Männer hinter ihm sahen sie erstaunt an. Sie wußte jetzt wenigstens, daß das, was sie tat, keine alltägliche Darbietung war.
    Sie wiederholten drei Strophen dieses Liedes im Chor, und dann stimmte sie mit den Musikern etwas anderes an, Kirchenmusik diesmal, und danach ging sie über zu Volksliedern.
    Es war schon eine Stunde vergangen, seit sie mit ihrer Musik begonnen hatte und nun den Musikern das Zeichen gab, still zu sein. Diesmal würde sie allein und ohne Begleitung singen. Einmal, vor vier Jahren, war ein Sänger nach Moreton gekommen, und die Bewohner der Kleinstadt hatten gesagt, jetzt habe Clarissa I endlich einmal Konkurrenz bekommen. Clarissa, die Angst hatte, sie könne schlecht aussehen, blieb die ganze Nacht auf und komponierte ein Lied, das selbst für sie nicht einfach zu singen war, ein Gesang, der die gesamte Skala ihrer Fähigkeiten abdeckte. Am nächsten Tag hatte sie den Gesang vorgetragen, und der Besucher, eine ältere Frau, hatte Clarissa mit Tränen in den Augen
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