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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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meinen Bruder.« Ihr Blick wanderte zu einem der Gemälde an der Wand. »Sind das deine Geschwister?«
    Parsefall folgte ihrem Blick. Er hatte dem Bild zuvor keine Beachtung geschenkt, weil es viel zu groß war, um es mitgehen zu lassen. Jetzt schaute er es sich an, fand es sonderbar und deshalb interessant. Es war riesig und hatte einen goldenen Rahmen mit jeder Menge Schnörkeln und kleinen Löchern. Fünf lebensgroße Kinder standen in einem wuchernden Garten. Dem Licht nach war es früher Abend und die Kinder hatten Blumen gepflückt. Es gab zwei Mädchen mit langem goldblondem Haar. Das größere der beiden lehnte an einer verfallenen Säule, das andere hatte ein kleines Kind auf dem Schoß und setzte ihm gerade einen Gänseblümchenkranz auf den Kopf. Ein Junge mit lockigem Haar und lachenden Augen stand neben einem dunkelhaarigen Mädchen mit Korkenzieherlocken. Das war ganz offensichtlich Clara Wintermute, aber sie sah auf dem Gemälde viel jünger aus und so, als würde sie nicht recht dazugehören. Die anderen Kinder wirkten zart, wie Rehe, die jeden Augenblick die Flucht ergreifen wollten. Ein durchscheinendes Strahlen umgab ihre Körper wie leichter Dunst oder helle Flammen. Daneben erschien Clara schwer und steif wie eine Holzskulptur.
    Lizzie Rose entfuhr ein kleines Japsen. Parsefall wandte sich wieder den Mädchen zu. Irgendetwas war zwischen ihnen vorgefallen. Lizzie Rose streckte ihren Arm über den Tisch und drückte Claras Hand.
    »Das tut mir so leid«, flüsterte Lizzie Rose.
    Clara schüttelte heftig den Kopf.
    Parsefall starrte die beiden an und fühlte sich, als hätte gerade jemand einen Witz erzählt und er hätte die Pointe verpasst. »Was’n los?«, fragte er.
    »Sie sind …« Lizzie Rose senkte die Stimme. »Sie sind im Himmel, nicht wahr? Das tut mir so leid.«
    »Was?«, fragte Parsefall erneut.
    »Meine Geschwister sind tot«, stieß Clara schroff hervor.
    Parsefall grübelte kurz und sein Blick wanderte wieder zu dem Gemälde. »Alle?«, sagte er ungläubig.
    »Parsefall«, zischte Lizzie Rose.
    »Es war die Cholera.« Clara redete hastig. Sie schien erpicht darauf, die Erklärung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. »Quentin war noch ein Baby. Da, neben der Säule, das ist Selina, die Älteste. Sie war sieben und Charles Augustus und ich waren fünf. Er ist mein Zwillingsbruder.« Sie zögerte einen Augenblick, dann sprach sie schnell weiter. »Papa meint, die Erreger waren in dem Brunnenkressesalat, den es nachmittags beim Imbiss zur Teestunde gab. Ich war ungehorsam an dem Tag. Grünzeug mochte ich noch nie und ich habe die Brunnenkresse zum Tee nicht gegessen. Und deshalb bin ich nicht krank geworden und Die Anderen sind gestorben.« Sie senkte den Kopf und hob eine Hand, wie um ihr Gesicht zu verbergen. »Für Mama war das natürlich furchtbar. Für Papa auch, aber Mama hätte der Kummer beinahe umgebracht.« Clara räusperte sich. »Das war vor sieben Jahren. Heute ist mein zwölfter Geburtstag.«
    Parsefall studierte nochmals das Bild. »Du bist da fünf?«, fragte er und deutete mit dem Daumen auf das Gemälde.
    »Auf dem Bild nicht«, erklärte Clara. »Das wurde vor vier Jahren angefertigt. Mama hat einen Maler ins Haus kommen lassen … sie wollte ein Bild, das meine Geschwister so zeigt, wie sie wohl aussehen würden, wenn sie weitergelebt hätten. Wir haben natürlich Fotografien – und ihre Totenmasken.« Sie zeigte auf vier weiße Masken über dem Klavier. »Mama sagt, wir müssen sie am Leben erhalten, indem wir immerzu an sie denken. Wir dürfen sie nie vergessen oder aufhören, sie zu lieben.«
    Parsefall starrte die Masken an der Wand an. »Was is’ ’n das, ’ne Totenmaske?«
    Lizzie Rose versetzte ihm unter dem Tisch einen Fußtritt.
    »Sie nehmen Gips und pressen den auf … auf das Gesicht eines geliebten Verstorbenen«, sagte Clara sehr ruhig, »und später nehmen sie noch mehr Gips und fertigen eine Maske an. Auf diese Weise …« Sie brach ab und hielt sich die Hand vor den Mund. Nicht unbedingt, weil sie mit dem Schmerz zu kämpfen hatte, sondern vielmehr, weil sie sich zu genieren schien.
    Parsefalls Blick wanderte erneut zu den vier weißen Abdrücken. »Das is’ widerlich«, erklärte er. »Jemandem Toten Gips ins Gesicht zu pappen. Das is’ fies.«
    Lizzie Rose trat ihm ein zweites Mal gegen das Schienbein, diesmal fester. Aber Claras und Parsefalls Blicke trafen sich und ein Funke sprang zwischen ihnen über, fast so als
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