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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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allerdings weiterverkaufen, sonst würde ihm das Höllenfeuer drohen. Zehn Minuten später rang der junge Held mit dem Tod und der Geist glitt mit einem Donnerschlag aus der Flasche. Er war meergrün und Hörner wuchsen ihm vorne aus der Stirn. Statt Armen hatte er Flügel wie eine Fledermaus. Sein Anblick war so grauenerregend, dass ein kleines Mädchen vom Boden aufsprang und sich auf den Schoß ihrer Mutter flüchtete.
    Aber das Stück war noch nicht zu Ende. Ein Mädchen mit goldenen Locken pflegte den jungen Mann gesund und schließlich gelang es ihnen gemeinsam, den Fremden mit dem Federhut zu überlisten, sodass er die Flasche selbst zurückkaufte. Zu guter Letzt heiratete der junge Held sein goldblondes Mädchen. Die Kinder klatschten begeistert. Noch bevor ihr Applaus verebbt war, hob sich der Vorhang schon wieder und Lizzie Rose spielte auf der Geige eine fröhliche Melodie.
    Eine winzige Ballerina tänzelte auf Zehenspitzen über die Bühne. Sie bewegte sich so schwerelos und hielt eine so vollkommene Balance, dass man sie für eine Elfe hätte halten können. Clara beugte sich hingerissen vor. Sie träumte davon, so tanzen zu können. Manchmal, wenn sie eigentlich schon im Bett liegen sollte, tanzte sie durch das dunkle Kinderzimmer, wirbelte auf halber Spitze im Kreis, ihr Nachthemd weit von sich gestreckt. Sie wünschte, sie wäre eine Ballerina. Sie sah sich selbst in rosafarbener Gaze mit Rosenknospen im Haar, wie sie einer Schwalbe gleich dahinglitt, sprang und flatterte und sich in die Lüfte emporschwang …
    Da meldete sich vorwurfsvoll ihr Gewissen. Tanzen schickte sich nicht und ihre Pflicht war es, ihren Eltern zu Hause Trost zu spenden. Ein Seufzer entfuhr ihr.
    Die Ballerina wurde von einem Akrobaten abgelöst, der mit drei Bällen jonglierte: einem grünen, einem lavendelfarbenen und einem silbernen. Auf den Jongleur folgte ein Seiltänzer. Selbst die Erwachsenen hatten mittlerweile vergessen, dass sie fantoccini zuschauten, und zitterten aus Furcht, die kleine Figur könnte abstürzen und sich den Hals brechen.
    Der letzte Akt war der skurrilste von allen. Die Vorhänge gaben den Blick auf einen Friedhof und ein Skelett frei. Zu dem Geigenspiel von Lizzie Rose sprang das Skelett fröhlich herum, hob seine knochigen Knie und grinste. Plötzlich verselbstständigten sich die Beine zu einem trillernden Ton der Geige und rannten getrennt von der Wirbelsäule zum anderen Ende der Bühne.
    Die Kinder schnappten nach Luft. Einige kicherten. Clara kniete sich aufrecht hin und vergaß völlig die anderen, die hinter ihr saßen. Beide Hälften des Skeletts tanzten und jetzt löste sich ein weiterer Teil. Der Schädel stieg in die Höhe, schwebte hoch über den Armen und dem Brustkorb. Er landete in der Mitte der Bühne und sein Oberkiefer klapperte ruckweise im Takt des Tamburins. Clara presste die Finger auf die Lippen. Sie war erschüttert, hingerissen und entzückt.
    Man hörte leises Glucksen aus dem Publikum. Die Musik wurde leiser – dann ein weiterer schriller Geigenton: Die Arme des Skeletts purzelten auf den Bühnenboden und blieben als Pyramide weißer Knochen liegen. Die Beine knickten ein. Nur der Schädel bewegte sich jetzt noch, der Kiefer öffnete und schloss sich klappernd zu einem teuflischen Lachen. Die weißen Zähne leuchteten. Es war ein groteskes Spektakel. Es war …
    Clara hörte ein absonderliches Geräusch: ein schreiendes Lachen, fast schon ein Kreischen. Sie brauchte den Bruchteil einer Sekunde, um zu begreifen, dass das Geräusch aus ihrer eigenen Kehle kam. Ihre Hände verkrampften sich, mit allen zehn Fingern hielt sie sich den Mund zu, aber es half nichts. Wenn sie nicht lachte, würde sie ersticken. Sie riss den Mund auf, um nach Luft zu schnappen. Ein weiterer Lacher sprudelte heraus. Die anderen Kinder hatten aufgehört, zu kichern. Ihre Augen waren nicht länger auf das Skelett gerichtet, sondern auf Clara.
    Hinter ihr im Salon raschelte es. Clara drehte sich um. Ihre Mutter war aufgestanden und ging zur Tür. Dr. Wintermute eilte ihr nach. Entsetzt presste Clara sich die Hände auf den Mund. Aber das Lachen in ihr war wie ein Sprengsatz und das Wissen, dass sie aufhören sollte – ja, aufhören musste  –, machte es nur noch schlimmer. Eine Lachsalve nach der anderen entschlüpfte ihr. Tränen machten sie blind. Sie waren erst warm, dann kühl auf ihren Wangen.
    Die übrigen Kinder rutschten unruhig hin und her. Das Skelett auf der Bühne setzte sich
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