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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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VON AGATHA SWANBURNES LEITSÄTZEN, den Penelope oft gehört hatte (von jetzt an dürft ihr Miss Lumley einfach Penelope nennen, denn schließlich habt ihr mittlerweile ihre Bekanntschaft gemacht), lautete: »Alle Bücher werden nach ihrem Einband beurteilt, bis man sie gelesen hat.«
    Penelope hatte bis jetzt nie die wahre Bedeutung dieses Spruches verstanden. Aber stellt euch einmal Folgendes vor: Ein gelehrt wirkendes Mädchen von fünfzehn Jahren, das brav gekleidet auf einem großen, verschrammten Schrankkoffer kauert und in dem zerlesenen Gedichtband eines unbekannten Dichters liest – welches Bild würde besser der Vorstellung entsprechen, die sich ein verständiger Mensch von einer jungen Gouvernante macht?
    Penelope war, wie man heutzutage sagen würde, die perfekte Besetzung für diese Rolle. Zweifelsohne benötigte der Kutscher von Ashton Place deshalb nur einen kurzen Augenblick, um sie auf dem Bahnsteig zu erkennen. Trotz ihrer Jugend sprach er sie mit all der Ehrerbietung an, die einer ausgebildeten Erzieherin gebührte. Und über das beängstigende Gewicht ihres Schrankkoffers verlor er kein Wort der Klage.
    »Voller Bücher, nehm ich an, was?«, ächzte er, als er den Koffer in die Kutsche wuchtete. Dann hielt er Penelope die Tür zum Einsteigen auf. Sie zögerte.
    »Dürfte ich mich während der Fahrt neben Sie auf den Kutschbock setzen?«, fragte sie. »Das Wetter ist so herrlich und ich bin neugierig darauf, die Stadt Ashton kennenzulernen, für den Fall, dass man mich bittet, zu bleiben«, fügte sie hinzu. Sie hoffte, dass in dem gewählten Tonfall die angemessene Bescheidenheit mitschwang. Swanburne-Mädchen wurden ermutigt, selbstbewusst und forsch aufzutreten. Aber Miss Mortimer hatte Penelope auch geraten, etwas Zurückhaltung an den Tag zu legen, wenn sie auf unbekannte Menschen traf – »nur bis man sich etwas näher kennt«, hatte Miss Mortimer erklärt. Und Penelope hatte stets gefunden, dass ihre Ratschläge es wert waren, befolgt zu werden.
    »Hmpf«, erwiderte der Kutscher, trotzdem half er Penelope, neben ihn auf den Kutschbock hochzuklettern. Penelope nahm anerkennend das glänzende Fell der Pferde zur Kenntnis. Ihre Schwäche für Tiere war in Swanburne wohlbekannt – ja, tatsächlich war sie sogar der Grund, warum Miss Mortimer auf die Stellenanzeige überhaupt aufmerksam geworden war. Lag dieser schicksalhafte Tag wirklich erst eine Woche zurück? Wenn Penelope die Augen schloss, konnte sie wieder Miss Mortimers Stimme hören …
    »Hört einmal her, Mädchen: ›Gesucht ab sofort: Tatkräftige Gouvernante für drei lebhafte Kinder‹.« Miss Mortimer gesellte sich beim Frühstück oft zu ihren Lieblingsschülerinnen und las dann immer laut aus der Zeitung vor, während die Mädchen ihren Haferbrei mit Milch verschlangen. »›Erforderlich sind Kenntnisse in Französisch, Latein, Geschichte, Etikette, Zeichnen und Musik – Erfahrung im Umgang mit Tieren dringend erwünscht. ‹ Mit Tieren! Habt ihr das gehört? Das ist die perfekte Stelle für dich, Penny, Liebes.« Ihre warme Stimme vibrierte vor Überzeugung, als sie Penelope die herausgerissene Seite der letzten Ausgabe der Zeitung Heathcote Tagblatt – Nachrichten das ganze Jahr (jetzt illustriert) reichte. »Keine Widerrede! Du musst dich dort vorstellen. Ich verfasse umgehend ein Empfehlungsschreiben für dich.«
    Jetzt klemmte die besagte Zeitungsseite sorgfältig gefaltet als Lesezeichen – und, wie Penelope hoffte, als Glücksbringer – in ihrem Gedichtband. »Die Kinder müssen wohl sehr an ihren Haustieren hängen«, dachte Penelope bei sich, während die Pferde mit klappernden Hufen die Straße entlangtrappelten, die durch den dichten Wald vom Dorf zum Anwesen des Herrenhauses führte. »Und das bedeutet, dass es wahrscheinlich eine freundliche, lebensfrohe Familie ist und wir alle wunderbar miteinander auskommen sollten.«
    Der Gedanke war sehr beruhigend. Beinahe hätte Penelope den Kutscher gefragt, welche Tiere sie in Ashton Place antreffen würde. Sie hoffte inständig, es würde Ponys auf dem Anwesen geben. Insgeheim hatte sie sich ein Pony gewünscht, seit sie ein kleines Mädchen war und die Hü-Hott, Regenbogen!- Bücher in der Bücherei des Swanburne-Instituts entdeckt hatte. Viele glückliche Stunden hatte sie zusammengerollt auf der Fensterbank in Miss Mortimers Büro mit den Abenteuern des Ponys Regenbogen und seiner jungen Besitzerin Edith-Anne Pevington verbracht. Besonders der Band mit dem
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