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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon
Autoren: Thomas Thiemeyer
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haben oft eine fatale Ähnlichkeit, besonders, wenn sie auf der Straße leben.«
    »Warum? Wegen der Schmutzschicht?«
    Humboldt zwinkerte ihm zu. »Zum anderen musste ich dir Gelegenheit geben, mich kennenzulernen. Hätte ich dich nur zum Tee eingeladen – du hättest vermutlich meine Taschenuhr stibitzt und wärst wieder davongelaufen. So aber waren wir gezwungen, ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. Eine sehr lehrreiche Erfahrung, würde ich sagen.« Der Forscher grinste. »Inzwischen bin ich mir sicher, dass in unseren Adern das gleiche Blut strömt.«
    Oskar war wie vor den Kopf geschlagen. Er, der Sohn dieses bedeutenden Mannes? Das war ein bisschen viel auf einmal.
    »Und meine Mutter?«
    »Sie war noch verheiratet, als ich sie kennenlernte. Wir verliebten uns sofort ineinander. Es war ein stürmisches und leidenschaftliches halbes Jahr. Sie lebte gerade in Scheidung und nahm nach der Trennung wieder ihren Mädchennamen an.«
    »Theresa Wegener.« Oskar blickte den Forscher durchdringend an. »Was ist mit ihr geschehen?«
    Auf Humboldts Gesicht fiel ein Schatten. »Wir waren nur kurze Zeit zusammen. Es ging nicht gut. Zwei Temperamente wie wir, das war wie Feuer und Benzin. Ich reiste ein halbes Jahr später ab in Richtung China. Theresa blieb zurück und betrieb weiter ihre Schauspielerei. Ich wusste nicht, dass sie schwanger war. Davon erfuhr ich erst, als ich zurückkehrte, doch da war es schon zu spät. Theresa war nach Berlin gezogen in der Hoffnung, mich dort zu finden. Sie muss wohl einige Zeit dort gelebt haben, ehe sie von der Lungenepidemie im Jahre 1882 dahingerafft wurde. Genau wie meine Mutter. In diesem Jahr verlor ich die beiden Frauen, die mir am meisten bedeutet haben.« In seinen Augen glitzerte es verdächtig. Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. »Nun ja …«, er räusperte sich, »wie es schien, kannten sich die beiden sogar. Meine Mutter hinterließ mir eine Truhe voller Erinnerungen an sie.«
    »Die Plakate …«
    »Ganz recht. Aber die Truhe enthält noch viel mehr. Wenn man nur intensiv genug sucht, findet man dort Briefe, Tagebücher und persönliche Gegenstände. Alles gut verstaut in einem …«
    »… Geheimfach«, ergänzte Oskar.
    Der Forscher hob die Brauen. »Ah, dann habt ihr es also schon entdeckt? Nun, das hätte ich mir denken können. Zwei so intelligente junge Menschen wie ihr.« Humboldt schenkte Oskar ein liebevolles Lächeln. »Du darfst natürlich alles lesen, wenn wir wieder zu Hause sind. Und wenn du möchtest, können wir gerne mal das Grab deiner Mutter besuchen. Sie wurde neben meiner Mutter auf dem Friedhof der Dorotheen-Gemeinde beigesetzt.« Er seufzte. »Es hat Jahre gedauert, bis ich dahinterkam, dass sie einen Sohn hatte. Dich. Und es hat noch mal so lange gedauert, dich zu finden.«
    Oskar spürte, wie ihm schwindelig wurde.
    »Alles in Ordnung, mein Junge?« Finkbeiner war aufgestanden und brachte Oskar ein Glas Wasser.
    »Danke, geht schon«, murmelte Oskar und trank das Glas leer. »Ist nur die Aufregung.«
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte der alte Mann und kehrte an seinen Platz hinter dem Schreibtisch zurück.
    »Aber warum dann eine Adoption?«, fragte Oskar, nachdem er sich wieder gefangen hatte. »Wenn Sie doch mein leiblicher Vater sind …?«
    »Weil die Unterlagen, wie du gehört hast, leider nicht lückenlos sind«, erwiderte der Forscher. »Vieles wurde bei dem Brand deines ehemaligen Waisenhauses vernichtet. Andere Unterlagen bekam ich erst Jahre später zu Gesicht. Was übrig geblieben ist, reichte nicht aus, um hundertprozentige Gewissheit zu erlangen. Daher der Weg über die Adoption. Ich würde mich freuen, wenn du dein Einverständnis dazu gibst.«
    Oskar überlegte eine Weile, dann nickte er.
    Finkbeiner rieb seine Hände. »Schön. Möchten Sie im Zuge der Adoption auch gleich eine Namensänderung beantragen oder wollen Sie vorerst weiter Wegener heißen? Umbenennen können Sie sich später immer noch.«
    Oskar dachte kurz nach. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich vorerst gerne den Namen meiner Mutter behalten. Es ist ein bisschen viel auf einmal …«
    »Von mir aus gerne«, sagte der Forscher. »Theresa wäre sicher stolz auf dich.«
    »Gut«, sagte Finkbeiner. »Dann also Wegener. Wenn Sie dann bitte so freundlich wären, hier zu unterschreiben?« Er schob zwei Blätter und einen goldenen Füllfederhalter über den Tisch.
    Oskar stand auf und ging hinüber. Seine Beine fühlten sich an, als
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