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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon
Autoren: Thomas Thiemeyer
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runter zum Kabelgatt geprüft. Keine Probleme so weit.«
    »Gut«, sagte Vogiatzis. »Sehr gut. Wie geht es den Raben?«
    Raben, das war die Bezeichnung für die vier Heizer, die tagein, tagaus unter Deck standen und Kohle in den feurigen Rachen der Dampfmaschine schaufelten.
    Der Gehilfe grinste. »Gut. Sie stehen zwar bis zu den Knien in Erbrochenem, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Ich habe ihnen gesagt, dass wir volle Leistung brauchen, wenn wir heil durch den Sturm kommen wollen.«
    Vogiatzis lachte und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Der Junge würde mal ein guter Seemann werden. Irgendwann, wenn er selbst zu alt für diesen Beruf war, konnte er ihm getrost das Ruder überlassen. Bis dahin würde er ihm alles beibringen, was er über die Seefahrt wusste.
    Er überlegte, ob es wohl verfrüht wäre, ein Pfeifchen anzuzünden, als seine Aufmerksamkeit von etwas angezogen wurde, was ihn irritiert innehalten ließ.
    »Beim Klabautermann«, fluchte er. »Was ist denn das?«
    »Irgendetwas nicht in Ordnung?«
    »Das Licht da vorne.« Vogiatzis deutete nach draußen. »Der Leuchtturm war doch vorhin auf der anderen Seite.«
    Skeptisch warf der Steuermannsmaat einen Blick nach draußen in das Inferno. »Haben wir uns gedreht?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Ich habe die Kornelia stramm auf Kurs gehalten. Eben noch war der Leuchtturm auf der linken Seite, jetzt ist er plötzlich rechts. Das verstehe, wer will.«
    »Vielleicht ein anderes Schiff.«
    »Ohne Signatur und Positionslichter? Was für ein Schiff sollte das sein? Außerdem, schau dir dieses Blinken an. Ich fahre diese Strecke seit zwanzig Jahren. Ich würde den Leuchtturm von Therasia unter tausend anderen erkennen.«
    Der Gehilfe schüttelte den Kopf. »Wenn wir weiterfahren, kommen wir genau in die Meerenge. Ich würde lieber auf hart steuerbord gehen.«
    »Bin schon dabei«, knurrte Vogiatzis und steuerte die Kornelia zurück auf ihren ursprünglichen Kurs. Ein unangenehmes Kribbeln im Nacken sagte ihm, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Er kannte dieses Gefühl, es hatte ihn noch nie getrogen. Der Kompass schien auch zu spinnen. Er zeigte an, dass sie viel zu weit nach Westen fuhren. Bei ihrem jetzigen Kurs hielten sie genau auf Kythira zu, einer kleinen Insel am südlichsten Zipfel des Peloponnes. Aber der Leuchtturm ließ sich nicht wegleugnen. Er war da, so viel war sicher. Oder etwa nicht?
    Der Gehilfe runzelte die Stirn. »Was ist denn mit dem Leuchtfeuer los?«
    »Was soll damit sein?«
    »Es ist weg«, sagte der Junge. »Ich habe es die ganze Zeit im Auge behalten. Von einer Sekunde auf die andere war es nicht mehr da.«
    »Bei Poseidons Bart, du hast recht!«, stellte Vogiatzis fest. Das Kribbeln in seinem Nacken wurde zu einem Stechen. Jetzt war er sicher, dass wirklich etwas nicht stimmte.
    »Da!«, rief der Junge. »Da ist es wieder. Und da drüben noch eines. Es sind zwei.«
    Vogiatzis verengte die Augen. Zwei Lichter, die genau die gleiche Färbung hatten und genau gleich blinkten? Das war unmöglich. Gab es hier Luftspiegelungen? Lächerlich, doch nicht bei diesem Sturm!
    Hilfe suchend blickte er auf seinen Kompass. Die Nadel tanzte wie verrückt. Mal bewegte sie sich nach Süden, dann wieder nach Westen. Zum Schluss drehte sie sich sogar im Kreis.
    Ehe er seinen Gehilfen auf das ungewöhnliche Phänomen aufmerksam machen konnte, rief dieser: »Da ist noch eins! Und da drüben noch eins. Auf zehn Uhr, sehen Sie? Jetzt sind es vier!« Seine Stimme klang hysterisch.
    Vogiatzis hatte genug. Er zog den Schubhebel nach hinten und drosselte die Fahrt, bis die Motoren im Leerlauf tuckerten. Dann griff er nach seinem Regenmantel.
    Der Junge starrte ihn voller Furcht an. »Was haben Sie vor?«
    »Bleib hier. Ich seh mir das mal an.« Er öffnete die Tür und trat hinaus in den Sturm. Der Wind schlug ihm mit voller Kraft ins Gesicht. Das Brüllen und Toben war atemberaubend. Er schmeckte Salzwasser, das auf seiner Haut wie Nadelstiche brannte. Vorsichtig, immer eine Hand am Geländer, kletterte er die Eisentreppe hinunter. Der Wind peitschte das Wasser zu weißen Schaumkronen auf, die aussahen, als würden sie kochen.
    Mit aller Kraft arbeitete Vogiatzis sich vorwärts. Ein paarmal drohte er auszurutschen, doch es gelang ihm immer noch rechtzeitig, das Geländer zu packen.
    Als er die Mitte des Schiffs erreicht hatte, blieb er stehen. Der Wind hatte für einen Moment an Heftigkeit nachgelassen. Vogiatzis hob den Kopf und blickte
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