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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
Autoren: Thomas Thiemeyer
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husten. Tränen stiegen ihm in die Augen. Der Staub schnürte ihm die Luft ab. Er griff sich an den Hals und rang nach Atem. Verzweifelt versuchte er ein letztes Mal auszubrechen. Er schlug mit den Armen um sich wie ein Ertrinkender, doch es nützte nichts. Ein feines Lächeln umspielte den Mund des Mannes. Mit dunkler Stimme sagte er: »Ich wünsche dir angenehme Träume, mein Junge.«
    Sternchen tanzten vor Oskars Augen, dann wurde es dunkel um ihn.

2
     
     
    Oskar erwachte mit einem Kopf, der sich anfühlte wie ein matschiger Kürbis. Ein Lichtstrahl drang in seine Augen und stach bis in die hintersten Hirnwindungen. Schnell presste er die Lider zusammen. Er hatte ja schon so manchen Kater von zu viel Bier gehabt, aber noch nie einen solchen. Noch einmal versuchte er, die Augen zu öffnen. Diesmal war der Schmerz nicht ganz so heftig und er entschied, dass er ihn ertragen konnte. Er saß in einem Lehnstuhl mit wertvoll geschnitzten Armstützen und einem hohen Rückenstück, das hinter seinem Kopf aufragte. Außer dem Stuhl befanden sich in dem Raum noch ein Bett, ein Tisch und mehrere Regale, voll mit Büchern. Ein kostbarer geknüpfter Teppich lag auf dem Boden. Oskar versuchte aufzustehen, aber irgendetwas hielt ihn zurück. Er konnte seine Arme nicht bewegen, genauso wenig wie seine Hände und seine Füße. Er blickte an sich hinab und sah, dass er festgeschnallt war. Breite Lederbänder umspannten seine Handgelenke. Sie erlaubten nicht den geringsten Ausbruchsversuch.
    Plötzlich fiel ihm alles wieder ein. Der Diebstahl, der Fluchtversuch, seine Gefangennahme … und der dunkle Mann. Diese wasserblauen Augen und das schmallippige Grinsen. Oskar wurde es mulmig zumute. Gefangen und gefesselt in einem fremden Haus, da brauchte man nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass er in die Hände eines Verbrechers gefallen war. Eines Irrsinnigen vielleicht, oder eines Mörders. Panik überkam ihn. Er musste weg hier, und zwar schnell. Er zerrte an seinen Fesseln, doch die Lederriemen saßen fest. Kopf, Hände, Füße, alles war festgebunden und der Stuhl war zu schwer, um ihn fortzubewegen. Plötzlich erklangen Geräusche. Schritte, die sich der Tür näherten.
    Oskar gab seine Befreiungsversuche auf und stellte sich schlafend. Er schloss die Augen bis auf einen winzigen Spalt und beobachtete, wie die Tür sich öffnete und jemand den Raum betrat. Im Dämmerlicht erkannte er eine kleine Person, die irgendetwas in den Händen trug. Einen Teller oder ein Tablett. Sie stellte es ab und ging hinüber zum Fenster. Mit Schwung zog sie die Vorhänge beiseite. Helles Tageslicht flutete ins Zimmer. Oskar erkannte, dass es sich nicht um seinen Entführer handelte. Es war eine Frau. Sie trug ein langes, bunt besticktes Hemd und einen ebensolchen Rock. Ihre Füße steckten in farbigen Sandalen und an ihren Handgelenken klimperten goldene Armreifen und Ketten. Sie hatte dunkle Haut und pechschwarzes Haar, das sie mit einem Tuch hochgesteckt hatte. Oskar konnte sich nicht erinnern, jemals eine solche Erscheinung gesehen zu haben.
    Sie kehrte zum Tablett zurück, goss etwas aus einer Kanne in eine Tasse und kam zu ihm herüber. Oskar tat immer noch so, als würde er schlafen, aber die Frau schien zu spüren, dass er es vortäuschte.
    »Hallo, mein Junge«, sagte sie mit weicher, dunkler Stimme. »Ich bringe dir etwas zur Stärkung.«
    Sie rollte das R und sprach mit einem seltsamen Akzent. So nah, wie sie jetzt bei ihm stand, konnte er ihr exotisches Parfüm riechen. Es hatte wohl keinen Sinn mehr, sie weiter zu täuschen. Oskar schlug die Augen auf. Das Gesicht, das sich ihm zuwandte, war schön, wenn auch außergewöhnlich. Die Frau mochte etwa dreißig Jahre alt sein, so genau konnte er das nicht abschätzen. Sie hatte große, seelenvolle Augen und einen vollen Mund. Ihre Ohren waren mit goldenen Ringen geschmückt. Sie sah nicht so aus, als wolle sie ihm etwas antun.
    »Möchtest du mal probieren? Schmeckt sehr gut und hilft gegen Kopfschmerzen.« Sie vollführte ein paar seltsame Gesten über der Tasse, die wie Zauberei anmuteten.
    Irgendwie spürte er, dass die Frau nichts Böses im Schilde führte, und seine Panik verflog. Er nickte und ließ sich von ihr das Getränk an den Mund führen. Das Gebräu schmeckte stark, bitter und süß, ganz anders als der Tee oder der Kakao, den man in feinen Gasthäusern bekam und den Oskar mal von Hannah, dem hübschen Küchenmädchen im »Alten Zollhaus«, zu kosten bekommen hatte. Es
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