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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
Autoren: Thomas Thiemeyer
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den Himmelspfad eingeschlagen hatte? Die Zeit wurde langsam knapp.
    Schwitzend und kraftlos arbeitete er sich vorwärts. Hand für Hand, Fuß für Fuß, Schritt für Schritt.
    Der Wind wehte den Geruch des Abends zu ihm empor. Über ihm erschienen die ersten Sterne auf dem violetten Firmament. Seine Gedanken wanderten zurück. Er erinnerte sich, wie er zum ersten Mal dieses wundersame Land betreten hatte. An die ungläubigen Blicke der Einheimischen, als er, gerüstet mit seiner Kamera und ausreichend fotografischen Platten, den Weg zu dem verborgenen Plateau eingeschlagen hatte. Allen Warnungen zum Trotz hatten er und sein Maultier die Felsen jenseits der Schlucht erklommen und ein Abenteuer bestritten, das er selbst nie für möglich gehalten hätte.
    Während er noch über die vergangenen Tage nachdachte, drang plötzlich ein Geräusch an seine Ohren. Eine Art Kratzen, als ob man zwei Holzstücke gegeneinander riebe. Er blieb stehen und lauschte. Da. Da war es wieder. Erst schwach, dann immer stärker werdend. Irgendwo über ihm prasselte eine Handvoll Steine in die Tiefe. Panik stieg in ihm auf. Er kannte dieses Geräusch. Er kannte es nur zu gut.
    Er drehte sich um und schaute nach hinten. Niemand zu sehen. Der Vorsprung war leer. Auch der Blick nach oben und unten ergab nichts. Hatte er sich das etwa nur eingebildet?
    Er wartete noch ein paar Sekunden und wollte sich gerade wieder nach vorn wenden, als er das Geräusch erneut vernahm. Diesmal näher. Es kam von irgendwo über ihm. Alarmiert spähte er nach oben. Eine tief hängende Wolke versperrte ihm die Sicht. Angestrengt versuchte er, den Dunst mit seinen Augen zu durchdringen. Plötzlich sah er etwas. Eine schnelle Bewegung in der Wolke. Irgendetwas Riesenhaftes.
    Vor Angst beinahe gelähmt, wandte er sich wieder nach vorn. Alle Vorsicht beiseitelassend, vergrößerte er seine Schritte. Noch etwa hundertfünfzig Meter. Ein blaugrünes Gestrüpp von Dornen und Kakteen markierte das Ende des Himmelspfades. Dahinter begann der Wald. Er wusste, dass er dort in Sicherheit war. Knappe hundert Meter, eine lächerliche Entfernung für einen durchtrainierten Mann wie ihn. Doch ihm blieb kaum Zeit. Das Wesen war auf der Jagd und es war schnell. Im Gegensatz zu ihm war es an das Leben in der Vertikalen gewöhnt.
    In diesem Augenblick traf er eine Entscheidung. Die Tasche mit dem wertvollen Inhalt fest unter den Arm geklemmt, löste er die Hände vom Fels und begann zu laufen. Erst langsam, dann mit stetig zunehmender Geschwindigkeit. Der bodenlose Abgrund unter seinen Füßen flog nur so dahin. Schneller und schneller bewegten sich seine Beine, den Abstand zwischen sich und dem Ende des Himmelspfades immer weiter verkürzend. Hundert Meter … fünfundsiebzig … fünfzig Meter.
    Das Ende der Felswand war bereits in greifbare Nähe gerückt, als der Schatten des Verfolgers auf ihn fiel. Ein überwältigender Gestank drang ihm in die Nase. Es roch wie eine Mischung aus Rosenöl und Knoblauch. Er hörte Atemgeräusche, gefolgt von einem zischenden Laut. Ein Brennen stach ihm in den Rücken. Seine Hand fuhr nach hinten, konnte die schmerzende Stelle aber nicht erreichen. Noch einmal zischte es. Diesmal stach ihn etwas in die Schulter. Den Kopf drehend, gewahrte er einen Stachel, lang und dünn wie ein chinesisches Essstäbchen, der tief in seinem Oberarm steckte.
    Seine Sinne begannen sich zu verwirren. Die Pflanzen, die eben noch in greifbarer Nähe waren, schienen sich immer weiter von ihm zu entfernen. Es war wie verhext. Es sah aus, als bestünde der Sims unter seinen Füßen aus Gummi, den eine unbekannte Kraft in die Länge zog.
    Die Hoffnung verließ ihn. Er geriet ins Straucheln. Sein Fuß blieb an einem Stein hängen. Er stolperte, taumelte, dann trat er ins Leere. Geröll löste sich und prasselte in die Tiefe. Er versuchte, das Gleichgewicht zu halten, doch er konnte den Sturz nicht mehr verhindern. Wild mit den Armen rudernd, versuchte er, irgendwo Halt zu finden. Doch da war nichts. Kein Stein, kein Zweig, kein Ast.
    Dann fiel er.
    Mit zunehmender Geschwindigkeit raste die Felswand an ihm vorbei. Sie besaß keine Vorsprünge oder Vertiefungen, nichts, woran man sich festhalten konnte. Unaufhaltsam schoss er in die Tiefe. Der Wind steigerte sich zu Orkanstärke, während er immer schneller wurde. Ein Brausen und Grollen lag in der Luft, das seine Ohren zu sprengen drohte. Er versuchte zu schreien, doch das Dröhnen ließ sich nicht übertönen. Bilder seiner
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