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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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Stille herrschte. Lauernde Stille …
    Torak kroch ins Freie und stand mit der Axt in beiden Händen da. Rauch brannte ihm in den Augen, aber einen Herzschlag lang sah er zwischen den Bäumen eine hochgewachsene Gestalt davonhuschen.
    Hinter ihm erscholl ein Schrei und er fuhr herum. Renn kam angewankt. »Unten am Fluss!«, keuchte sie. »Es hat abscheulich gestunken!«
    »Es war hier. Draußen vor der Hütte. Ich habe es gehört.«
    Sie stellten sich Rücken an Rücken und spähten in die Nacht. Was es auch gewesen sein mochte, es war verschwunden und hatte nur einen Hauch von Aasgeruch und die schaurige Erinnerung an rasselnden Atem hinterlassen.
    An Schlaf war nicht mehr zu denken. Torak und Renn hockten sich ans Feuer, fütterten es und warteten darauf, dass es hell wurde.
    »Was kann das bloß gewesen sein?«, fragte Renn.
    Torak zuckte die Achseln. »Ich weiß bloß eins: Wenn wir Wolf dabeigehabt hätten, hätte es sich niemals so nah herangewagt.«
    Sie blickten stumm ins Feuer. Mit Wolf hatten sie nicht nur einen Freund verloren, sondern auch einen Beschützer.

Kapitel 3

    ES BLIEB BIS zum Morgen ruhig, aber als es hell wurde, entdeckten sie Spuren. Große Spuren, wie von einem Mann … aber ohne Zehen.
    Es waren nicht die Stiefelabdrücke von Wolfs Entführern, aber sie strebten in dieselbe Richtung.
    »Jetzt sind sie zu dritt«, sagte Renn.
    Torak zuckte die Achseln. Ihnen blieb ohnehin nichts anderes übrig, als den Spuren zu folgen.
    Der graue Himmel verhieß Schnee und der Wald war voller Schatten. Bei jedem Schritt glaubten sie, hinter den Bäumen jemanden lauern zu sehen. Ein Dämon? Ein Seelenesser? Oder jemand vom Verborgenen Volk, von hinten hohl wie ein morscher Baum …
    Der Wind frischte auf. Schnee verwehte die Spuren und Torak dachte an Wolf. »Wenn der Wind nicht bald nachlässt, ist die Fährte nicht mehr zu erkennen.«
    Renn reckte den Hals und sah einem davonfliegenden Raben nach. »Wenn wir doch nur sehen könnten, was er sieht!«
    Auch Torak blickte dem Vogel nachdenklich hinterher.
    Der Abstieg ins angrenzende Tal führte sie zunächst durch einen verschwiegenen Birkenwald. »Sieh mal«, sagte Torak, »dein Otter war auch schon hier.« Er deutete auf die Abdrücke der mit Schwimmhäuten versehenen Pfoten und eine lange, glatte Furche. Der Otter war den Hang erst ein Stück heruntergehüpft und dann auf dem Bauch weitergeschlittert, wie es Otter gern tun.
    Renn schmunzelte und beide stellten sich kurz den vergnügten Otter bei seiner Rutschpartie vor.
    Aber der Otter war nicht an dem zugefrorenen See am Fuß des Hügels angelangt. Hinter einem etwa zwanzig Schritt vom Ufer entfernten Felsen entdeckte Torak verstreute Fischschuppen und einen Lederfetzen. »Die Männer haben ihn gefangen.«
    »Aber wieso?«, fragte Renn ungläubig. »Ein Otter ist doch ein Jäger …«
    Torak zuckte die Achseln. Er wurde selbst nicht daraus schlau.
    Da fuhr Renn zusammen. »Duck dich!«, raunte sie und zog Torak hinter den Felsen.
    Etwas bewegte sich über den See. Ein schnaufendes Geschöpf mit wiegendem Gang, das offenbar etwas suchte. Es war sehr groß, hatte zottiges Fell und eine lange, verfilzte Mähne. Abermals stieg Torak Aasgestank in die Nase und wieder hörte er das rasselnde Luftholen. Das Geschöpf drehte sich um und wandte Torak und Renn das schmutzige Gesicht zu. Es hatte nur noch ein Auge und seine Wangen waren schrundig wie Baumrinde. Torak schnappte nach Luft.
    »Das gibt’s doch nicht!«, flüsterte Renn.
    Sie sahen einander an. »Der Streuner!«
    Sie waren dem schrecklichen, verrückten Alten im vorletzten Herbst begegnet und konnten von Glück sagen, dass sie damals mit dem Leben davongekommen waren.
    »Was will der denn hier, so weit weg von seinem Tal?«, raunte Torak. Sie duckten sich noch tiefer.
    »Und wie kommen wir an ihm vorbei, ohne dass er uns sieht?«, erwiderte Renn im Flüsterton.
    »Vielleicht… wollen wir das ja gar nicht.«
    »Was?«
    »Vielleicht hat er ja Wolfs Entführer gesehen.«
    Renn war empört. »Hast du etwa vergessen, dass er uns damals beinahe umgebracht hätte? Dass er meinen Köcher in den Fluss geworfen und sogar gedroht hat, meinen Bogen zu zerbrechen?!« Es war schwer zu beurteilen, was in ihren Augen das größere Verbrechen war: dass der Alte sie beide hatte töten wollen oder die Sache mit dem Bogen.
    »Aber er hat uns nicht umgebracht, stimmt’s?«, konterte Torak. »Er hat uns laufen lassen. Wenn er nun tatsächlich etwas gesehen
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