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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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Anführer der Raben ist weise, er weiß bestimmt, was zu tun ist.«
    »Das dauert zu lange«, erwiderte Torak. »Richte ihm aus, dass jemand Wolf entführt hat. Richte ihm aus, dass wir die Entführer verfolgen, um Wolf zu befreien.«

Kapitel 2

    DIE NACHT brachte klirrenden Frost, von dem sich die Bäume weiß färbten und der Schnee unter den Stiefelsohlen harsch und spröde wurde.
    Es war schon nach Mitternacht und Torak war ganz benommen vor Müdigkeit, trotzdem zwang er sich zum Weitergehen. Im Mondschein wand sich die Fährte von Wolfs Entführern wie eine Schlange nach Norden, immer weiter nach Norden.
    Urplötzlich vertraten ihm sieben Schamanen den Weg, warfen hohe gehörnte Schatten vor seine Füße. Bald gehört der Wald uns, raunten sie mit Stimmen kälter als ein Schneesturm. Alles zittert vor uns. Wir sind die Seelenesser …
    Jemand fasste ihn an der Schulter. Torak schrie auf.
    »Was hast du?«, fragte Renn.
    Torak blinzelte. Vor ihm glitzerten sieben reifbedeckte Birkenstämme. »Ich habe geträumt.«
    »Wovon?« Von Träumen verstand Renn etwas, denn ihre eigenen wurden manchmal wahr.
    »Von nichts.«
    »Pah«, machte sie.
    Beide stapften mit dampfendem Atem weiter.
    Torak grübelte, ob der Traum etwas zu bedeuten hatte. Konnte es sein … Steckten womöglich die Seelenesser hinter Wolfs Verschwinden?
    Aber was sollten die Seelenesser mit Wolf anfangen?
    Außerdem hatte man schon lange nichts mehr von ihnen gehört. Nach der Seuche im vergangenen Sommer hatte Fin-Kedinn mit allen Clans im Weiten Wald gesprochen und hatte den Sippen im Großen Wald, den Meerclans und Bergclans Botschaften gesandt. Nichts. Die Seelenesser waren untergetaucht, hatten sich verkrochen wie Bären zum Winterschlaf.
    Und dennoch – Wolf war verschwunden.
    Torak kam es vor, als stapfte er durch ein Schneetreiben aus Unwissenheit und Furcht. Als er den Kopf hob, sah er hoch über sich den Großen Auerochsen. Er spürte die Tücke des kalten roten Auges und Furcht drohte ihn zu überwältigen. Erst hatte er seinen Vater verloren, jetzt Wolf. Wenn er Wolf nun nie mehr wiedersah? Wenn Wolf längst tot war?
    Der Wald lichtete sich. Vor Renn und Torak blinkte ein zugefrorener, mit Hasenspuren kreuz und quer übersäter Fluss. Am Ufer reckten verdorrte Schierlingsdolden die stachligen Finger nach den Sternen.
    Eine Herde Waldpferde nahm quer übers Eis Reißaus, dann blieben die Tiere stehen, drehten sich um und schauten zu den Wanderern herüber. Ihre Mähnen waren starr wie Eiszapfen. Ihre Augen glänzten im Mondlicht und Torak erkannte darin einen Widerschein seiner eigenen Angst.
    In Gedanken sah er Wolf vor sich, wie er ausgesehen hatte, ehe er verschwunden war, prächtig und stolz. Sie waren schon seit Wolfs Welpenzeit zusammen. Meistens war er einfach Wolf, klug, neugierig und vorbehaltlos treu. Manchmal war er aber auch der Anführer und in seinem goldbraunen Blick lag eine geheimnisvolle Gewissheit. Und immer war er Toraks Rudelgefährte.
    »Ich verstehe nicht«, weckte ihn Renn aus seinen Gedanken, »warum sie Wolf überhaupt entführt haben.«
    »Vielleicht ist es eine List. Vielleicht haben sie es gar nicht auf Wolf abgesehen, sondern auf mich.«
    »Das habe ich auch schon überlegt.« Renn senkte die Stimme. »Vielleicht… vielleicht sind sie ja hinter dir her, weil…«, sie stockte, »… weil du ein Seelenwanderer bist und sie dich fürchten.«
    Torak fuhr zusammen. Er wollte kein Seelenwanderer sein! Und er wollte auch nicht, dass Renn es aussprach. Es fühlte sich an, als risse jemand den Schorf von einer eben verheilenden Wunde.
    »Aber wenn sie wirklich hinter dir her sind«, fuhr Renn unbeirrt fort, »wieso haben sie dich nicht einfach überwältigt? Es sind zwei große starke Männer. Die wären leicht mit uns fertig geworden. Wieso …«
    »Keine Ahnung!«, schnitt ihr Torak gereizt das Wort ab. »Hör endlich auf damit. Das hilft uns auch nicht weiter!«
    Renn sah ihn erschrocken an.
    »Ich weiß nicht, wieso die Männer Wolf entführt haben! «, brüllte Torak. »Es ist mir egal, ob es eine List ist! Ich will ihn einfach nur wiederhaben!«

    Danach sprachen sie nicht mehr. Die Waldpferde hatten die Spuren der Entführer zertrampelt, und sie mussten aufs Geratewohl weitergehen, was ihnen zumindest einen Vorwand bot, sich vorübergehend zu trennen. Als Torak die Fährte wiederfand, sah sie anders aus. Das verhieß nichts Gutes.
    »Die Kerle haben sich einen Schlitten gebaut. Sie haben zwar keine Hunde
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