Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
erwiderte Torak. »Nicht wie die hier.«
    Danach verfiel er lange in seine, wie sie es nannte, Fährtenlesertrance, folgte irgendwelchen Zeichen, die sie nicht entdeckte. Dann ging er so abrupt in die Hocke, dass sie beinahe über ihn fiel.
    Neben seinem Knie war ein kaum wahrnehmbarer Pfotenabdruck zu sehen. »Ist das Wolf?«, flüsterte sie.
    Er nickte. Sein Gesicht war vor Hoffnung ganz angespannt. Er tat Renn leid, und sie war auch ein wenig böse auf Wolf, weil er nicht spürte, dass sein Rudelgefährte ihn brauchte.
    Als sie weitergingen, vergaß sie ihren Ärger und sammelte ein paar grüne Haselnüsse als Geschenk. Im vergangenen Sommer hatte Wolf zugesehen, wie sie einen Haselnussstrauch plünderte, und es dann selbst versucht, wobei er die reifen Früchte unbeachtet gelassen und nur die grünen aufgebissen hatte.
    Sie dachte gerade darüber nach, als im nächsten Tal ein Wolf heulte.
    Ein kurzer Blick zu Torak. »Wolf?«, fragte sie tonlos.
    Er nickte. »Er bittet uns, zu ihm zu kommen.« Sein Gesicht verzog sich fragend. »Aber so einen Ruf habe ich noch nie von ihm vernommen.«

    Sie stiegen den Hügel über dem Windfluss hinauf und plötzlich warf Wolf Torak mit einer wüsten Mischung aus Wolfsgruß und inbrünstigen Entschuldigungen um. Ich bin so froh, dass du hier bist! Es tut mir leid, es tut mir leid, du hast mir so gefehlt! Glücklich! Tut mir leid!
    Schließlich ließ er von Torak ab und stürzte sich auf Renn, wo sich das Gleiche noch einmal abspielte. Derweil hatte Torak Gelegenheit, sich umzusehen.
    Das Gelände rings um die Höhle war mit abgenagten Knochen- und durchgekauten Hautresten übersät, der Boden von vielen Pfoten festgetreten. Torak fiel auf, dass Wolf dünner war. Vielleicht deshalb, weil er so viel hatte jagen müssen. Dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Ich hätte es wissen müssen«, murmelte er.
    »Ich auch«, sagte Renn und schob Wolfs Nase beiseite. Ihre Augen glitzerten. Sie sah ebenso glücklich aus, wie Torak sich fühlte.
    Eine prächtige schwarze Wölfin mit gelbgrünen Augen kam aus der Höhle und trottete auf sie zu; sie wedelte mit dem Schwanz und legte die Ohren zu einer zögerlichen Begrüßung zurück.
    Aber ja, natürlich, dachte Torak.
    Zu Renn sagte er, dass die Wölfin zu dem Rudel gehört hatte, mit dem er sich im vergangenen Sommer angefreundet hatte. Gemeinsam sahen sie, wie sie sich auf den Bauch legte und mit dem Schwanz über den Boden wedelte, während Wolf in der Höhle verschwand.
    »Wir weichen lieber ein bisschen zurück«, sagte Torak, der plötzlich nicht mehr genau wusste, wie sie sich verhalten sollten. In angemessener Entfernung vom Höhleneingang setzten er und Renn sich mit untergeschlagenen Beinen ins Gras.
    Sie mussten nicht lange warten. Wolf kam rückwärts wieder hervor und trug ein kleines, zappelndes Bündel im Maul. Mit heftig peitschendem Schwanz trottete er zu Torak und legte das Bündel vor ihm ab.
    Torak wollte lächeln, aber es gelang ihm nicht. Sein Herz war übervoll.
    Das Junge war ungefähr einen Mond alt. Es war dick und flauschig und stand noch nicht sehr sicher auf seinen kurzen Beinchen. Die Ohren hingen abgeknickt nach unten, die Augen waren eine noch unfertige Mischung aus Blau und Schiefergrau. Aber es kam sofort auf Torak zugewackelt, so furchtlos und neugierig, wie es sein Vater als kleiner Wolf ebenfalls gewesen war.
    Torak heulte leise und streckte die Hand aus, damit der Kleine daran riechen konnte; er quietschte fröhlich, wackelte mit dem Stummelschwänzchen und versuchte, in den Daumen zu beißen. Torak nahm ihn auf den Arm und rieb mit der Nase über den Bauch des Jungtiers. Es trommelte ihm mit seinen kleinen Pfötchen auf den Kopf und fuhr mit den Krallen, die so dünn wie Brombeerdornen waren, in seine Haare. Als er es absetzte, hüpfte es wieder zu seinem Vater.
    Die Wölfin hob die Schnauze und winselte, worauf drei weitere Jungtiere aus der Höhle kamen und auf sie zusprangen. Eines war schwarz und hatte die grünen Augen seiner Mutter, die anderen waren grau wie Wolf: eines mit einer weißen Pfote, das andere mit rötlich braunen Ohren. Alle zitterten angesichts dieser erstaunlichen neuen Welt vor Aufregung.
    Rip und Rek kamen angeflattert, und zwei der Jungen flüchteten, während ihre Geschwister sich an die Vögel heranpirschten. Die Raben spazierten scheinbar nichts ahnend umher. Sie ließen die Jungtiere fast bis auf Reichweite heran, dann flogen sie mit heiserem Lachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher