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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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aus der Menge und die Anführerin der Waldpferde schüttelte ihren Speer. »Du musst es nur sagen«, forderte sie Torak auf. »Ein Wort von dir und sie stirbt.«
    Torak schaute von dem rachsüchtigen grünen Gesicht zu der Frau mit den aschfarbenen Haaren. »Lasst sie gehen«, sagte er.
    Ein Proteststurm erhob sich.
    »Aber sie hat uns vergiftet!«, rief die Anführerin der Waldpferde. »Sie hat das große Feuer geweckt! Sie muss bestraft werden!«
    »Bist du weiser als der Wald?«, fragte Torak sie.
    »Natürlich nicht! Aber –«
    »Dann soll es so geschehen! Der Rotwildclan soll sie im Auge behalten, und sie schwört, dass sie das Feuer nie wieder weckt.« Er sah der Anführerin in die Augen und hielt ihrem Blick stand, bis sie schließlich den Speer sinken ließ. »Es soll geschehen, wie du es sagst«, murmelte sie.
    »Aah«, ertönte es vielstimmig aus der Menge.
    Durrain beobachtete Torak regungslos.
    Plötzlich wollte er mit alldem nichts mehr zu tun haben, wollte nur noch weg von diesen wild dreinschauenden Menschen mit ihren schlammverkrusteten Köpfen und den rot bemalten Bäumen.
    Als er sich einen Weg durch die Menge bahnte, kam Renn hinter ihm hergehumpelt. »Torak! Warte!«
    Er drehte sich um.
    »Du hast es richtig gemacht«, sagte sie.
    »Aber sie wissen es nicht«, gab er angewidert zurück. »Sie lassen sie nur am Leben, weil ich es ihnen befohlen habe, nicht weil es richtig ist.«
    »Ihr kann das egal sein.«
    »Mir aber nicht.«
    Er ließ sie stehen und marschierte aus dem Lager hinaus. Er scherte sich nicht darum, wohin er ging, solange es nur weit genug von den Clans des Großen Waldes wegführte.
    Sehr weit kam er jedoch nicht, bis sich die Wunde in seinem Oberschenkel bemerkbar machte, deshalb warf er sich auf die Böschung am Flussufer und betrachtete das vorübergleitende Schwarzwasser. Der Schmerz in seiner Brust war noch schlimmer als der in seinem Bein. Er sehnte sich nach Wolf, aber Wolf kam nicht, und er traute sich auch nicht, nach ihm zu rufen.
    Er spürte jemanden hinter sich, drehte sich um und erblickte Durrain. »Geh weg«, knurrte er.
    Sie kam näher und setzte sich neben ihn.
    Er rupfte ein Ampferblatt ab und fing an, es entlang der Blattadern einzureißen.
    »Du hast eine kluge Entscheidung getroffen«, sagte sie. »Wir werden sie gut im Auge behalten.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Wir wussten nicht, wie weit ihr Geist schon auf Abwegen war. Es war falsch von uns, ihr so viel Freiheit zu gewähren. Wir … haben einen Fehler gemacht.«
    Torak wünschte nur, Renn könnte das hören.
    »Sie hat unrecht getan«, fuhr Durrain fort, »aber es ist klug, die Rache dem Wald zu überlassen.« Sie wandte Torak den Kopf zu und er spürte die Macht ihres Blickes. »Das hast du jetzt begriffen. Es war etwas, das deine Mutter seit jeher begriffen hatte.«
    Torak erstarrte. »Meine Mutter? Aber … du hast doch gesagt, du könntest mir nichts von ihr erzählen.«
    Sie lächelte ihr schmales Lächeln. »Du warst auf Rache aus. Du warst nicht bereit, zuzuhören.« Dann legte sie den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete die schaukelnden Blätter über sich. »Du bist in der Großen Eibe zur Welt gekommen«, sagte sie. »Als deine Mutter spürte, dass ihre Zeit gekommen war, ging sie in den Heiligen Hain, um für ihr Kind den Schutz des Waldes zu erbitten. Sie ging in die Große Eibe hinein. Dort bist du geboren worden. In ihrem Rund hat sie deine Nabelschnur vergraben. Dann ist sie gemeinsam mit dem Wolfsschamanen nach Süden geflohen. Später, als sie wusste, dass ihr Tod nahe war, hat sie ihn zu mir geschickt, um mich zu holen, damit sie mir all das sagen konnte, was sie ihm nicht sagen konnte.«
    Sie hielt die Hand vor sich und eine gefleckte Motte setzte sich auf ihre Handfläche. »In der Nacht, in der du geboren wurdest, ist ihr der Weltgeist in einer Vision erschienen. Er hat bestimmt, dass du dein Leben lang dafür kämpfen musst, das Böse zu vernichten, an dessen Erschaffung der Wolfsschamane beteiligt war. Sie hatte Angst. Sie bat den Weltgeist darum, ihrem Kind bei der Erfüllung eines so schweren Schicksals zur Seite zu stehen. Er sagte, er würde einen Seelenwanderer aus dir machen – dass du zu diesem Zeitpunkt jedoch clanlos sein müssest, denn kein Clan sollte um so vieles stärker als die anderen sein.« Sie schaute der davonflatternden Motte nach. »Und er bestimmte, dass dieses Geschenk deine Mutter selbst das Leben kosten solle.«
    Torak starrte auf das
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