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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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hatte sich darüber bereits Gedanken gemacht. Der Zorn des Eisbären, die Rücksichtslosigkeit der Natter … Manchmal sah sie Spuren davon in Torak aufblitzen. Andererseits: Diese grünen Flecken in seinen Augen, die waren mit Sicherheit gut – Flecken der Weisheit des Waldes, die sich auf ihn übertragen hatten und dort wie Moos an einem Baum festsaßen.
    Aber sie war zu verärgert, um ihm das jetzt sagen zu können, deshalb sagte sie nur: »Vielleicht hinterlässt es Spuren, aber nicht immer. Deine Seele ist in einen Raben übergewechselt und trotzdem bist du kein bisschen klüger geworden.«
    Er lachte.
    Sie stemmte sich mithilfe ihrer Krücken hoch. »Leg dich schlafen. Ich will los, sobald es hell wird.«
    Er warf den Stock ins Feuer und stand ebenfalls auf. Dann langte er hinter sich und legte etwas in ihre Hände. »Hier. Ich dachte mir, dass du das haben willst.«
    Es waren die Reste ihres Bogens.
    »Jetzt kannst du ihn in Frieden ruhen lassen«, sagte er. Er klang ein wenig unsicher, als wüsste er nicht genau, ob er das Richtige getan hatte.
    Auch Renn wusste nicht, ob sie jetzt etwas sagen sollte, und wenn ja, was. Als sich ihre Finger um das geliebte Holz schlossen, trat ihr Fin-Kedinn vor Augen, wie er es gerade zurechtschnitzte. Es war ein Zeichen. Es musste ein Zeichen sein.
    »Renn«, sagte Torak leise. »Es ist kein Omen. Fin-Kedinn ist stark. Er wird wieder gesund.«
    Sie holte tief Luft und musste schlucken. »Woher wusstest du, dass ich daran gedacht habe?«
    »Na ja, ich … ich kenne dich halt.«
    Renn stellte sich vor, wie Torak durch den Wald humpelte, um ihr den zerbrochenen Bogen zu holen. Vielleicht hinterlässt das Seelenwandern doch Spuren, dachte sie. Aber das hier… das ist einfach nur Torak. »Ich danke dir«, sagte sie.
    »Ach, schon gut.«
    »Nein, nicht nur dafür. Für alles, was du getan hast. Dafür, dass du deinen Schwur gebrochen hast.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter, sie stellte sich auf die Zehenspitzen, gab ihm einen Kuss aufs Kinn und humpelte rasch davon.

    Wolf sah, wie Groß Schwanzlos, blinzelnd und leicht wankend, neben dem Feuer stand, nachdem die Rudelgefährtin gegangen war. Er spürte, dass seine Gefühle so durcheinandergewirbelt waren wie ein Haufen trockener Blätter im Wind.
    Die Schwanzlosen waren so schwer zu verstehen. Groß Schwanzlos mochte die Rudelgefährtin und sie mochte ihn, aber statt die Flanken aneinanderzureiben und sich die Schnauzen zu lecken, rannten sie ständig voreinander davon. Das war sehr, sehr merkwürdig.
    Mit diesen Gedanken im Kopf trottete Wolf zu Dunkelfell. Sie schloss sich ihm an, die Schnauze noch feucht von der Beute, und nachdem sie sich spielerisch gebissen und die Pelze aneinander gerieben hatte, liefen sie gemeinsam Nass hoch. Wolf mochte das Gefühl, wenn der kalte Farn sein Fell streifte, und er mochte das Trommeln von Dunkelfells Pfoten hinter ihm. Er sog die herrlichen Düfte von frischem Rehkitzblut und freundlichem Wolf tief in sich ein.
    Im Wald herrschte wieder Frieden. Trotzdem trieb Wolf etwas dazu, an den Ort zu eilen, an dem Groß Schwanzlos gegen den Gebissenen gekämpft hatte. Als sie dort ankamen, trabte er langsam weiter. Das Helle Weiße Auge blickte auf die wachsamen Bäume herab und die Ehrfurcht vor dem Donnerer lag immer noch in der Luft.
    Der Donnerer war ein großes Geheimnis. Als Wolf noch klein war, hatte der Donnerer ihn dazu gebracht, Groß Schwanzlos zu verlassen und in die Berge zu gehen. Später, als Wolf davongelaufen war, war der Donnerer wütend gewesen. Dann war Wolf vergeben worden, obwohl er nicht mehr auf den Berg zurückdurfte. Das alles war höchst merkwürdig; andererseits war der Donnerer zugleich weiblich und männlich, zugleich Jäger und Beute. Kein Wolf konnte aus einem solchen Wesen schlau werden.
    Früher einmal hatte sich Wolf gegrämt, wenn er etwas nicht verstand, inzwischen wusste er, dass es Dinge gab, die er einfach nicht verstehen konnte. Der Donnerer war eines davon, Groß Schwanzlos ein anderes. Groß Schwanzlos war Nicht-Wolf. Trotzdem war er Wolfs Rudelgefährte. So war es eben.
    Ein leiser Duft wehte an Wolfs Nase vorbei. Sofort war er hellwach. Dunkelfells Augen glänzten. Dämonen.
    Aufmerksam hielt Wolf die Schnauze dicht über den Boden und sog die Witterung ausgiebig schnüffelnd in sich auf, während er der Spur bereits folgte. Sie führte an den uralten Bäumen vorbei und die Böschung hinauf.
    Die Höhle war beinahe völlig von einem
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