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Chimären

Chimären

Titel: Chimären
Autoren: Alexander Kröger
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weg damit. Wohl kein Leben das? Was glauben Sie, was da für ein internationaler Schacher in Gang gerät und welche kriminelle Energie – obendrein zum Schaden einer vernünftigen Forschung. Aber lassen wir das; Sie wissen es ohnehin! Ich könnte mir denken, dass Ihr Lux schon jetzt irgendwo anders auf der Welt die Achtung erführe, die ihm als Wunderwesen gebührt. Denken Sie an die Mythologie: Götter oder wenigstens Halbgötter waren das!“
      Shirley Lindsay nickte gedankenversunken.
      „Jedenfalls danke ich Ihnen. Eine hervorragende Leistung. In einer nicht bornierten Welt nobelpreisverdächtig. Jetzt den Großversuch! Wenn uns der Massennachweis gelingt…“
      „Sie wollen also dabei bleiben.“
      „Was denken Sie de nn! Jetzt erst recht. Ich hoffe, Sie sind darauf vorbereitet. Ausreichend Material ist doch vorhanden…?“
      Shirley Lindsey nickte.
      „Aber – nach wie vor strengste Vertraulichkeit. Ich kann Ihnen höchstens noch einen Pfleger zuteilen. Wie viele könnten es werden?“
      „Maximal siebenundzwanzig.“
      „Ich dachte zwar zunächst an über dreißig, aber gut. Ich verlasse mich weiter auf Sie. Eine Zulage weise ich an.“
      „Oh, danke!“ Shirley Lindsey fühlte sich einen Augenblick ob ihrer Kleingläubigkeit beschämt. Und, schließlich hat er, der Institutsinhaber, die Hauptverantwortung. ,Nimmt er sie wahr, so wie es den Geschöpfen zukommt?’, nagte erneut Zweifel in ihr.

    A us Shirleys Sicht legte sich ein leichter Schatten über die Beziehung zu Manuel. Sie war sich nicht schlüssig, ob es nicht einen Vertrauensbruch bedeutete, ihn nicht vollständig über den Inhalt ihrer Arbeit zu informieren. Freilich erzählte sie von den grandiosen Möglichkeiten, die sich aus der Forschung im Institut ergaben, und sie ließ erkennen, wie stolz sie war, daran beteiligt zu sein. Xenotransplantation, aber auch in naher Zukunft die Züchtung menschlicher Organe und sogar Gliedmaßen, Lehmanns Highlight, erfüllten Manuel mit Hochachtung, und mehrmals drückte er seine Freude darüber aus, mit einem Menschen liiert zu sein, der zur Avantgarde des Fortschritts zählte. Von ihrer eigentlichen Aufgabe, der Einpflanzung humanoider Züchtungen unter Nutzung des Xeroeffektes in tierische Körper – ursprünglich um das Wachstum zu beschleunigen und danach zu reimplantieren, aber neuerdings mit wesentlich spektakuläreren Zielen – erwähnte sie gegenüber dem Freund nichts. Sie sprach von Lux, dem lieben Versuchshund, dem sie Leid erspare, um den sie sich kümmere. Aber was in Wahrheit mit dem Tier geschah, erfuhr Manuel nicht.
      Der Mann selber nahm das Defizit nicht wahr. Er hatte geeignete Räume für seine Profession gefunden, verhandelte mit Banken und Förderern um günstige Kredite und begann bereits Werke zu entwerfen, die er unter „Stählerne Gebrauchgraphik“ einordnete und die als künstlerisch gestaltete Tore, Fenstergitter, Geländer und andere ähnliche Bauaccessoires verwendet werden sollten. Ein Markt dafür schien vorhanden zu sein, und im nahe gelegenen Stahlwerk war man nach der ersten gemeinsamen Arbeit bereit, mit ihm langfristig zu kooperieren. Noch aber fehlten diverse Werkzeuge und Geräte, um die Entwürfe zu verwirklichen. Um all das Benötigte unter günstigen Bedingungen zu beschaffen, brauchte es Zeit, und dies füllte den Mann aus.
      Freilich tauschten sie sich an den Abenden zu Problemen ihrer Tageserlebnisse aus, ließen dies jedoch keineswegs dominieren, sondern versuchten, die gemeinsamen Stunden zu genießen. Außerdem machten ihre Tätigkeiten beiden große Freude, so dass es kaum tiefgreifenden Kummer gab, der in den Feierabend hineingeschleppt worden wäre. Auch als Shirleys Wochenenden stundenweise durch ihre Arbeit mit beansprucht wurden, entstand keinerlei Stress. Manuel wusste auch diese Zeit mit seinen Aufgaben zu verbringen.
    O ftmals dachte Shirley Lindsey über Lehmanns Worte nach, man werde eines Tages die Wesen in die Gesellschaft integrieren können. Sie stellte sich die Frage, wie dies geschehen, wo im sozialen Gefüge ein derartiges Geschöpf einen Beitrag leisten, einen Platz finden könnte. Der Frau fiel fast stets nur auf das Verhalten und der Gebrauchswert eines hochqualifizierten Hundes ein, dessen langwierige Abrichtung durch Verstand ersetzt und damit auch verkürzt wurde, zum Beispiel als Gefährte eines blinden Menschen, als Spürer im Jagdgeschehen oder bei der Verbrechensbekämpfung, als Bodyguard
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