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Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi

Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi

Titel: Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi
Autoren: Heinz von Wilk
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anderen Straßenseite die dunkle Sparkasse. Zeno deutet am Gesicht vom Stocker vorbei rechts in die Aschauer Straße und meint: »Wenn ich hier vorbeikomm und an die Schießerei denke, die wir da hinten hatten, dann tut mir immer das rechte Bein weh. Phantomschmerz oder so was. Hast du nicht auch irgendwas, das immer wieder auftaucht?«
    »Ja schon, ich hör in meinem Kopf dauernd mein Lieblingslied: tausend Takte Tinnitus. Obwohl, für so übersinnliche Sachen bin ich schon empfänglich. Meine Oma, die konnte zum Beispiel aus dem Kaffeesatz lesen.«
    »Ehrlich?« So was interessiert den Zeno brennend. Außerdem ist die Ampel immer noch auf Rot. Die haben Rotphasen hier, da könnte man zwischendurch ein Kind zeugen.
    »Ja«, sagt der Stocker und dreht die Musik leiser, die aus der Zwölf-Lautsprecher-Anlage des alten Mercedes kommt. »Meine Oma, die hat mich mal eine große Tasse mit fast einem halben Liter Kaffee austrinken lassen, und dann hat sie sich den Kaffeesatz am Boden von dem Haferl genau angesehen. Dann hat sie ein bisschen überlegt, vor sich hin gemurmelt und dann zu mir gesagt: ›In kurzer Zeit wird was mit dir passieren.‹«
    »Ich glaub es ja nicht«, sagt der Zeno und vergisst fast, bei Grün wieder anzufahren. »Ja, erzähl, und dann?«
    »Sie hat mich gespenstisch angesehen und gesagt: ›Du musst bald pinkeln.‹«

Kendlmühlfilzen, 23.02 Uhr:
    Es riecht nach … ja was? Moos, Erde, Moor, Birken, Fichten und Laubbäumen, nach verwelkten Blättern im morastigen Boden, die sich für die Reise in die Ewigkeit schmücken. Zwischen den Büschen: der Zeno, auf den Knien, mit einem Zeiss-Nachtsichtfernglas mit Infrarot-Restlichtverstärker an den Augen. Hightech im Moor. Daneben, im Schneidersitz: Stocker, mückengeplagt und müde.
    »Der Audi steht da«, zischelt der Zeno, »direkt neben dem Papiercontainer. In der Küche ist, glaube ich, niemand mehr. Da ist die Nachtbeleuchtung an. Der Parkplatz ist vorne, aber der ist leer, hab ich vorher von der Straße aus gesehen.«
    »Was siehst du noch? Ist wer in der Wohnung im ersten Stock?«
    »Glaub ich nicht. Im Lokal brennen noch Lichter. Ein paar Leute sitzen an einem Tisch. Die Wohnung ist ziemlich dunkel. Da läuft aber ein Fernseher. Warte: In der Küche ist doch jemand. Eine Frau. Die macht da irgendwas am Herd. Seh ich aber nicht so genau. Hier, nimm das Glas, ich geh jetzt rüber und schau mir den Audi an.«
    »Warum du? Das hier ist eigentlich mein Revier«, sagt der Stocker, den die ganze Pirsch ziemlich nervt. Ich werd zu alt für diese Karl-May-Scheiße, denkt er sich, nimmt dem Zeno das Fernglas ab und fuchtelt gegen einen Schwarm Mücken, der genau vor seiner Nase tanzt.
    »Vielleicht, weil ich beim SEK war? Vielleicht, weil ich für so was irgendwann mal supermäßig ausgebildet worden bin?«, sagt der Zeno, und zwar genau in dem Ton, den der Stocker nie leiden konnte. Weil seine Verflossene, die Rosi, immer exakt in dem Ton genervt hat, wenn sie was wollte.
    »Ich, mein Bester«, sagt er also, »ich war bei den Gebirgsjägern. Schon vergessen? Schau dich mal um hier. Deshalb, keine Diskussion: Ich geh.«
    »Gebirgsjäger. Super. Haut voll rein. Aber mal ganz unter uns Mädels: Siehst du hier im Umkreis von, sagen wir mal, dreihundert Metern irgendeinen Berg oder gar ein ganzes Gebirge? Nein? Also, mach’s gut, Schwester.« Weg ist er, der Zeno.
    Der ist so was von naturstoned, denkt der Stocker, außerdem hat er diesen postnatalen Verpisser-Drang. Aber was soll’s, er wird es schon richten.
    Wahrscheinlich hat der keine Angst, weil er keine Phantasie hat, sollte man meinen. Jetzt muss man aber sagen, leider hat der Zeno etwas zu viel Phantasie, wie sich gleich herausstellen wird. Im typischen SEK -Stil, nämlich tief geduckt, fast auf den Knien, huscht er lautlos die vielleicht achtzig Meter durch das nahezu hüfthohe Gestrüpp. Ein paarmal schnuppert er wie ein alter Hofhund, der vergessen hat, wo er seinen Lieblingsknochen vergraben hat. Die letzten zwanzig Meter oder so geht’s über eine Kiesfläche, dann ist er am Audi.
    Der Stocker sieht durch das Nachtsichtgerät, wie der Zeno von allen Seiten in den Wagen späht. Zwei, drei kurze Blitze flackern auf, die aber durch das Nachtsichtgerät und die Infrarotverstärkung wie ein gewaltiges Sommergewitter rüberkommen. Stocker nimmt das Glas von den Augen und fährt sich geblendet mit der Hand über das Gesicht. Macht der blöde Hund doch glatt Fotos. Mit seinem Handy in den Wagen
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