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Chaplins Katze, Clintons Kater

Chaplins Katze, Clintons Kater

Titel: Chaplins Katze, Clintons Kater
Autoren: Helga Dudman
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versichert, »haben genau die Eigenschaften, die ich bei Frauen am meisten schätze –
    Eleganz, Unabhängigkeit, Charakterstärke
    – und
    Unbelehrbarkeit.« (Wahrscheinlich meint er damit die Unfähigkeit, sich dressieren zu lassen, denn Frauen lassen sich ja durchaus – ab und zu – belehren.)
    Es versteht sich von selbst, dass Armanis Katzen Perserkatzen sind. Die sind das Nonplusultra der Katzenaristokratie mit ihrem wunderschönen, langen, schimmernden Fell, ihrem entzückenden Gesichtsausdruck, ihrem runden Köpfchen, den großen Kulleraugen und den kleinen Ohren, dem riesigen gerüschten Halskragen und dem buschigen Schwanz. Eben genau wie Frauen, oder? Und mit Haarbüscheln auf den Ohren. Und an den Pfoten. Natürlich müssen sie, wie das Züchterhandbuch mahnt, täglich sorgfältig gepflegt werden: »Sie wissen, dass sie wunderschön sind, und posieren gerne vor einem Hintergrund, von dem sie sich vorteilhaft abheben.« Alle Farben sind erlaubt. Ihr Herkunftsland ist umstritten. Afghanistan? Persien? China?
    Russland?
    Zeitgleich mit der Eröffnung eines neuen Armani-Salons auf der Madison Avenue in New York tobte – hauptsächlich in der Presse – eine Debatte über die Zukunft der Mode. Ist die Mode tot (wie vor nicht allzu langer Zeit die Diagnose auch für die Disziplin Geschichte lautete)? Kaufen Frauen – und in zunehmendem Maße auch Männer – ihre Kleidung heute anders, lassen sich nicht mehr wie früher von oben diktieren, was sie tragen sollen? Jedenfalls gibt es in einem Armani-Salon immer nur genau ein Exemplar eines Anzugs oder Kleides. Warum? Weil die Botschaft eindeutig sein muss: Armani-Artikel sind exklusiv – und wenn Sie einen tragen, dann müssen Sie niemals die Erfahrung machen, dass Sie zu Ihrem unendlichen Kummer auf einer Party jemandem über den Weg laufen, der genau das Gleiche anhat. Daraus folgt, dass es die jederzeit makellos in ihren herrlichen Pelz gekleideten Perserkatzen zu Hause beim großen Meister viel besser haben. Sie mögen ja »unbelehrbar« sein, aber wenigstens brauchen sie seine hohen Rechnungen nicht zu bezahlen.

    MATTHEW ARNOLD (1822-1888), dessen Perserkatze Atossa durch ein Gedicht Unsterblichkeit erlangte, das sie sich mit einem Papagei teilen musste. Arnold war ein berühmter englischer Schriftsteller und Erzieher, der in vielerlei Beziehung bemerkenswert ist – unter anderem dadurch, dass sein Name auch heute noch in unzähligen Aufsätzen auftaucht.
    Im Hundebuch ist seine Biografie umrissen und dort finden sich auch Ausschnitte aus einem Gedicht zum Tode seines Dackels Geist.
    Arnold liebte alle Lebewesen. Und die romantische Liebe und die Bildung und das Wissen und die lateinische Sprache.
    Der Papagei Matthias im Gedicht ›Matthias und Atossa‹
    scheint auch ohne literarische Unterstützung schon relativ unsterblich gewesen zu sein, während Arnolds Perserkatze Atossa, die Matthias so lange von der anderen Seite der Käfigstangen beäugt hatte, bereits gestorben war. »Ärmster Matthias!«, beginnt Arnolds Gedicht, »wollt Ihr mehr als Mitleid? Einen Reim?« (Man merke: Arnold spricht seinen Papagei mit »Ihr« an!)

    Freunde, die uns näher standen als der Vogel,
    Haben wir doch ohne das geringste Wort verlassen.
    Rover mit dem guten braunen Hundehaupt,
    Beste Atossa, Ihr seid beide tot.

    Tot seid Ihr, und weder Vers noch Prosa
    Erzählen noch von Euren Ruhmestaten…

    Aber Ihr, Matthias (die deutsche Form von Arnolds englischem Vornamen, wie elegant und unmerklich er uns doch immer wieder Bildung einflößt!), Ihr kanntet sie noch, als sie »alt und grau« waren,

    Kanntet sie in ihrem traurigen Verfall,
    Ihr habt einst Atossa weise stundenlang
    Bei Eurem Käfig sitzen sehen…

    Und seid aufgeregt krächzend hin und her gehüpft, dummer Vogel (spielte hier Matthew oder Matthias Arnold vielleicht ironisch auf seine eigenen umfangreichen Aufsätze und Ermahnungen an?), während Atossa, die Katze, sich nie vom Fleck rührte.
    Sie war ganz im Fell versunken
    Beäugte Euch mit resignierter Seele
    Und Ihr dachtet, Katzen wären wohlgesonnen!

    Ja, Ihr langlebiger, aber ziemlich blöder Vogel, Katzen sind nicht von Natur aus wohlgesonnen. Nein, sie sind Grausam, aber stets beherrscht und still
    Stumm und unerforschlich, aber hehr.

    Woher hatte der Dichter den Namen für seine verstorbene Perserkatze? Nun, Arnold erwartete natürlich von seinen Lesern, dass sie dessen Bedeutung kannten. Atossa war die Gattin des Perserkönigs Darius und die
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