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Chaplins Katze, Clintons Kater

Chaplins Katze, Clintons Kater

Titel: Chaplins Katze, Clintons Kater
Autoren: Helga Dudman
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Bentham wandte jedoch diese Philosophie nicht im strengen Sinn auch auf seine Katzen an. Er mochte Katzen sehr und hatte einige. Er nannte sie »Miezekatzen« und erwartete von ihnen »häusliche Tugenden«, konnte jedoch die
    »gemeine Rasse der Katzen« insgesamt nicht sonderlich leiden. Ein weiteres, häufig zitiertes Prinzip Benthams ist, dass
    »alle Bestrafung von Übel ist; dass jede Strafe in sich selbst schlecht ist«. Das trifft natürlich uneingeschränkt auch auf die Pflege und Erziehung von Katzen zu.
    Wir können selbstverständlich nicht erwarten, in der ungeheuer begabten Familie Bentham zeitgenössische populistische »Demokratie« praktiziert zu finden, auch nicht in Jeremys häuslichem Zusammenleben mit seiner
    Lieblingskatze, über die es wunderbare Aufzeichnungen gibt.
    Bentham lebte zu einer Zeit, als beileibe nicht alle Menschen gleich waren und nicht einmal alle Katzen gleiches Glück hatten (eigentlich trifft auch heute noch beides zu). Trotzdem setzte sich Bentham in vielen Bereichen dafür ein, das Los derjenigen zu verbessern, die weniger vom Glück begünstigt waren, kämpfte zum Beispiel für eine Gefängnisreform, mit der er seiner Zeit weit voraus war, oder wollte den Missbrauch des Rechtssystems einschränken.
    Sein Lieblingskater hieß Sir Hugh Langbourne. Er aß mit seinem Herrn Makkaroni am Tisch, und Bentham sagte gern, er habe »einen Mann aus ihm gemacht«. Zu Anfang »adelte«
    er sein Kätzchen, als es noch ein verspielter kleiner Kater war.
    John Bowring zufolge, der ein Freund Benthams war und das Leben dieser Katze aufgezeichnet hat, war das Tier »als junger Kater rücksichtslos wie alle Jungen«. Später war er »… dann ein ziemlich liederlicher Gentleman und besaß, laut Angaben seines Herren, die Angewohnheit, leichte und leichtlebige junge Damen seiner Rasse zu verführen und in den Garten zu locken.«
    Aber wie alle jungen Männer wurde auch Sir John reifer und erwachsen. Er »wurde schließlich wie Salomon der Vergnügungen und Eitelkeiten müde; er wurde gesetzt und nachdenklich – verlegte sich auf die Kirche, legte seinen Adelstitel ab und wurde als Hochwürden John Langbourne installiert«.
    Wir wissen also, dass Bentham im Umgang mit seinen Katzen eine leichte Hand hatte. Für unsere Zwecke ist es nicht erforderlich, dass wir die Unmengen komplizierter Manuskripte und seine ausführlich besprochenen Beiträge zur Entwicklung der englischen Demokratie weiter durchforsten.
    Aber stellen Sie sich vor, mit welchem geistigen Niveau Benthams Katzen sich im Gespräch konfrontiert sahen! Wie alle Intellektuellen früherer Generationen – und im krassen Gegensatz zur Spezialisierungswut (und Fernsehsucht) unserer Zeit – konnte Bentham eine beeindruckende Familie und einen ebensolchen Freundeskreis vorweisen. Jeremys Bruder, Sir Samuel, war Architekt und Ingenieur. Sein Neffe George war ein berühmter Botaniker, der Jura studiert und das Werk
    ›Outlines of a New System of Logic‹ [Abriss eines neuen logischen Systems] verfasst hatte.
    Der junge Jeremy las mit drei Jahren bereits anspruchsvolle Geschichtsbücher und begann Latein zu lernen. Mit 13 Jahren ging er auf die Universität von Oxford. Als Erwachsener beschäftigte er sich mit Vorhaben wie der Anlage von Kanälen durch die Landengen von Suez und Panama. Er gründete die Zeitschrift ›Westminster Review‹, um seine radikalen philosophischen Theorien zu verbreiten. In seinem kleinen Haus im Queen’s Court in London führte er ein einfaches Leben. Das Haus lag »wie eine Oase« an einer kleinen Straße und war von Blumen umsäumt. Hier trafen sich einige wenige Mitglieder der Londoner Elite abends zu hochintellektuellen Gesprächen, während der jugendliche Kater Sir John, wir erinnern uns, »junge Damen seiner Rasse« in den Garten lockte und verführte.
    Zu den häufigeren Gästen gehörte der junge John Stuart Mill mit seinen Eltern. Auch er hatte im zarten Alter von drei Jahren Latein gelernt und sollte später Benthams Theorien weiterentwickeln. Ein weiterer regelmäßiger Gast war Sir John Bowring, der Biograf der berühmten Katze. Und was machte dieser Sir John? Er war Philologe (übersetzte aus dem Polnischen, Niederländischen, Serbischen, Batavischen und Russischen), Volkswirtschaftler, Schmetterlingskundler, Parlamentsmitglied, britischer Konsul in Kanton, Gouverneur von Hongkong und Autor eines Buches (unter vielen) über das Dezimalsystem.
    Bentham starb mit 85 Jahren. Zur Zeit seines Todes
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