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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman
Autoren: Michaela Möller
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Fernsehprogramm von gestern. Für einen kurzen Moment sehr wertvoll, aber jetzt nur noch alt und nutzlos.
    Ich habe wieder angefangen zu essen (eigentlich habe ich damit auch nur für ein paar Tage aufgehört), und Designerklamotten habe ich auch recht schnell wieder in mein Herz geschlossen. Nur diese Empfindlichkeit beim Anblick vonPutzlappen besteht nach wie vor. Was soll ich machen? Reinigungsutensilien machen mich wahnsinnig depressiv. Und da ich nicht ausschließen kann, dass das an Right liegt, hat Luisa vorübergehend den Wohnungsputz übernommen.
    Außerdem habe ich beschlossen, nach einer mehrwöchigen Einswerdung mit meinem Bett wieder unter Menschen zu gehen.
    Luisa ist wieder dem weiblichen Geschlecht zugetan und hat beschlossen, von nun an nur noch mit Frauen zu schlafen. Mark hat beschlossen, nicht mehr mit Luisa zu schlafen, ich habe beschlossen, niemals mit Luisa zu schlafen, und Mark und ich haben beschlossen, niemals wieder miteinander zu schlafen, und alle sind wieder Freunde. Wunderbar. Mein Leben ist perfekt. Und da sich der Mann meines Lebens aus selbigem komplett entfernt hat, nehme ich mir vor, meine Freiheit endlich zu genießen. Im Grunde hat das Singleleben seinen schlechten Ruf gar nicht verdient. Ich meine, es ist ja nicht so, dass man als Single einsam wäre. Ich würde das mal eher ungestört nennen. Gut, verdammt noch mal! ICH BIN EINSAM. Ich brauche einen Mann. Ich brauche Sex. Ich brauche endlich wieder Probleme. Und darum habe ich beschlossen, die Flucht nach vorn anzutreten. Das Ziel heißt Bora Bora.
    Da stehe ich also nun zwischen den Pappkulissen der Bavaria Filmstudios und steuere die heiligen Hallen von TV DIREKT an. Ehrlich gesagt hatte ich mir das Showbiz etwas glamouröser vorgestellt. Die Büros befinden sich in einem Zellhaufen aus aneinander gereihten Containern, die mich an grausame Campingtage in meiner Jugend erinnern. Hier gibt es Hausfassaden ohne echte Häuser, Türen ohnedahinter befindliche Räume und Straßenlaternen ohne Stromanschluss. Hoffentlich benutze ich hier nicht auch noch aus Versehen eine Papptoilettenattrappe! Ich bin gerade im Begriff, das Showbiz an den Nagel zu hängen und wieder umzudrehen, um mir zu Hause vielleicht doch lieber eine Wiederholung von Friends anzusehen, als eine Frau in Baggypants und T-Shirt auf mich zukommt. Um ihren Hals hängt eines dieser Bändchen, die alle tragen, die zur Crew gehören, und dir direkt sagen, ich bin wahnsinnig wichtig!
    »Hi, ich bin Lucy, deine Redakteurin. Du musst Jil sein. Wir kennen uns vom Casting. Ich nehme dich jetzt mit zum Briefing.« Ich habe diese Frau noch nie in meinem Leben gesehen, ich schwöre. Aber so ist das wohl beim Fernsehen. Dein Bekanntheitsgrad steigt Schwindel erregend schnell.
    Ich folge Lucy in einen spartanisch eingerichteten Raum. In der Mitte steht ein Tisch, um den vier Frauen in knappen Bikinis sitzen: meine Mitstreiterinnen! Ich finde das ja ein bisschen zu siegessicher, direkt im Bora-Bora-Strandoutfit hier anzutanzen, aber Lucy erklärt mir, die Damen wären schon im Fundus gewesen, und für mich würde sich da bestimmt auch noch das Passende finden.
    »Ich soll im Bikini auf die Bühne?«, bringe ich nervös hervor. Oh, nein! Meine Unterlippe fängt an zu beben, und der Angstschweiß läuft mir den Nacken hinunter. Ob ich einfach schnell wegrennen soll? Ich erspähe auf dem Tisch einige Gläser Sekt, schnappe mir eins und stürze die perlende Flüssigkeit herunter.
    Hmmm?
    TV-Alkohol schmeckt billig und abgestanden, zeigt aber dennoch seine Wirkung. Sichtlich entspannter lasse ich mich auf einen Stuhl neben Becky Busenwunder und SusiSexgranate plumpsen und versuche, Lucys Briefing zu folgen. Ich im Bikini im Fernsehen – das ist zu quotenschädigend!
    »Egal, was ihr macht oder sagt, Hauptsache, ihr seid dabei natürlich …«
    Ich fahre mit einer Hand über meine Beine. Na, wenigstens sind sie rasiert!
    »… und verhaltet euch immer kameragerecht …«
    Und ein bisschen abgenommen habe ich auch. Hmmm. Na gut, na gut. Ich habe kein bisschen abgenommen. Zu solchen Äußerungen bringt mich immer nur der Teil in mir, der das Überleben meiner Psyche in der sich epilierenden, frisierenden und schönheitsoperierenden Zivilisation sichern soll.
    »… und keine wilden Gesten, sonst fallt ihr aus dem Kamerabild …«
    Aber meine Haare glänzen ganz toll, seitdem ich dieses neue Shampoo aus Beverly Hills benutze. Das ist seine 45 Dollar plus Versandkosten aber nun
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