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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Kopf zurück und strich sich glücklich übers Kinn, dann über seines. »Jetzt kratzen deine Küsse wenigstens nicht mehr!«
     
    Erst spät am nächsten Morgen fand Cazaril die Zeit, Umegat im Haus des Bastards aufzusuchen. Ein respektvoller Akolyth geleitete ihn zu einer Zimmerflucht im dritten Stock. Auf sein Klopfen hin erschien der zungenlose Tierpfleger, Daris, und hieß Cazaril mit einer Verbeugung eintreten. Cazaril war nicht sonderlich erstaunt, dass der Mann inzwischen die Kleidung eines Laienbruders trug, weiß und sauber und ordentlich. Daris rieb sich übers Kinn, wies auf Cazarils nacktes Gesicht und äußerte dabei grinsend eine Bemerkung, die Cazaril gar nicht verstehen wollte. Dann winkte der daumenlose Helfer ihn durchs Gemach, das als Aufenthaltsraum eingerichtet war, und hinaus auf einen kleinen, hölzernen Balkon, der mit gewundenen Ranken und Rosenpelargonien in Töpfen geschmückt war und den Blick auf den Tempelplatz gewährte.
    Umegat trug ebenfalls weiße Kleidung und saß an einem kleinen Tischchen im Schatten der Reben. Cazaril war entzückt, als er Papier, Schreibfeder und Tinte vor ihm ausgebreitet sah. Rasch trug Daris einen Stuhl herbei, damit Cazaril Platz nehmen konnte, ehe Umegat aufzustehen versuchte. Daris stieß ein einladendes Brummen aus. Umegat übersetzte dies als Frage nach Cazarils Wünschen, und Cazaril bat um Tee. Daris eilte davon.
    »Was bedeutet das?« Cazaril wies auf die Papiere. »Ihr könnt wieder schreiben?«
    Umegat verzog das Gesicht. »Wie es scheint, bin ich wieder im fünften Lebensjahr angelangt. Ich wünschte mir nur, ich wäre auch in anderer Hinsicht so verjüngt.« Er hob ein Blatt und zeigte Cazaril eine plumpe Schreibübung, die aus einigen grob gezeichneten Buchstaben bestand. »Ich übe sie ständig, und stets vergesse ich sie wieder. Meine Hand scheint ihr Geschick für die Feder verloren zu haben – aber die Flöte spiele ich beinahe genauso schlecht wie zuvor! Die Ärztin versichert mir, dass ich mich verbessere, und wahrscheinlich ist es auch so. Vor einem Monat jedenfalls habe ich nicht einmal diese Kritzelei zu Stande gebracht. Die Worte huschen wie Krebse über die Seiten, aber dann und wann erwische ich einen von ihnen.« Er blickte auf und tat seine Mühen mit einem Achselzucken ab. »Aber was ist mit Euch? In Taryoon ist einiges vorgefallen, nicht war? Mendenal hat mir berichtet, Ihr habt Euch von einem Schwert aufspießen lassen.«
    »Von vorn nach hinten durchbohrt«, erwiderte Cazaril. »Dabei wurden allerdings Lord Dondo und der Dämon aus meinem Leib geschnitten, und das war den Schmerz mehr als wert. Und Dank der Gnade der Herrin blieb ich von einem tödlichen Wundfieber verschont.«
    Umegat hielt nach Daris Ausschau. »Dann seid Ihr billig davongekommen.«
    »Wie durch ein Wunder.«
    Umegat beugte sich ein wenig über den Tisch vor und blickte Cazaril aus nächster Nähe ins Gesicht. »Wie ich sehe, habt Ihr Euch in hoher Gesellschaft bewegt.«
    »Habt Ihr Euer zweites Gesicht zurückbekommen?«, fragte Cazaril überrascht.
    »Nein. Aber es gibt da etwas im Blick eines solchen Menschen, und man lernt es zu erkennen.«
    Allerdings. Auch bei Umegat war es zu sehen. Wie es schien, wurde ein Mann geheimnisvoll ausgeglichen, wenn er von den Göttern berührt wurde und dabei nicht völlig das innere Gleichgewicht verlor. »Auch Ihr habt Euren Gott gesehen.« Es war keine Frage.
    »Ein-, zweimal«, räumte Umegat ein.
    »Wie lange dauert es, bis man sich davon erholt hat?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Nachdenklich biss Umegat sich auf die Lippe und musterte Cazaril. »Erzählt mir, falls es Euch möglich ist, was Ihr gesehen habt …?«
    Es war mehr als das Interesse eines gelehrten Theologen an seinem Fachgebiet als bloße Neugier. In den grauen Augen des Roknari erkannte Cazaril eine unergründliche Gier nach dem Göttlichen. Sehe ich auch so aus, wenn ich von Ihr spreche? Dann ist es kein Wunder, wenn die Leute mich seltsam anschauen.
    Er erzählte Umegat die ganze Geschichte, angefangen mit den Anweisungen der Prinzessin und seinem überhasteten Aufbruch aus Cardegoss. Der Tee wurde aufgetragen, getrunken und die Tassen nachgefüllt, ehe er zum Ende kam. Daris hockte im Türdurchgang und hörte zu. Cazaril ging davon aus, dass er den vormaligen Tierpfleger nicht zur Schweigsamkeit ermahnen musste. Als er versuchte, seine Begegnung mit der Frühlingsherrin zu beschreiben, hatte er seine liebe Mühe. Umegat lauschte seinen Worten mit
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