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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch
Autoren: Lois McMaster Bujold
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begrüßen. Nein. Ich ruhe mich aus. Das klang selbst in seinen eigenen Ohren eigensinnig und verdrießlich. Sei kein Narr! Doch tiefe Müdigkeit hielt ihn auf seinem Stuhl fest.
    Bevor er seinen Anfall von Melancholie überwinden konnte, platzte auch schon Bergon in seine Kammer, und es wurde unmöglich, weiterhin Trübsal zu blasen. Der Prinz trug noch immer die braunen, o rangenen und gelben Gewänder eines Großmeisters vom Orden des Sohnes, mitsamt dem zugehörigen breiten Schwertgurt, der mit den Symbolen des Herbstes geschmückt war. Der Ornat stand ihm weit besser als dem alten, grauhaarigen dy Jironal. Wenn Bergon dem Gott keine Freude bereitete, konnte nichts vor Seinen Augen Gnade finden!
    Cazaril stand auf, und Bergon umarmte ihn. Er erkundigte sich nach der Reise von Taryoon und seiner Genesung, wartete dann allerdings kaum auf eine Antwort, sondern versuchte seinerseits, Cazaril mehrere Dinge auf einmal zu erzählen.
    »Wir werden bald noch genug Zeit zum Plaudern haben. Doch in eben diesem Augenblick bin ich in einer Mission unterwegs, die meine Frau mir auferlegt hat, die Königin von Chalion. Doch zunächst erzählt mir doch ganz im Vertrauen, Lord Caz … liebt Ihr Lady Betriz?«
    Cazaril blinzelte. »Ich … sie … sehr, Hoheit.«
    »Gut. Nun, ich war mir zwar sicher, doch Iselle hat darauf bestanden, dass ich erst einmal nachfrage. Und jetzt eine sehr wichtige Frage: Seid Ihr bereit, Euch rasieren zu lassen?«
    »Ich … was?« Cazarils Hand fuhr an seinen Bart, der längst nicht mehr so zottelig war wie zu Anfang, sondern sorgfältig gestutzt. »Gibt es einen besonderen Grund für diese Frage? Aber das spielt wohl keine Rolle, nehme ich an. Bärte wachsen nach …«
    »Aber Ihr habt nicht etwa eine verrückte Vorliebe dafür, oder?«
    »Nein. Als ich von den Galeeren kam, haben meine Hände eine ganze Weile gezittert, und ich hatte kein Interesse, mir blutige Kerben ins Gesicht zu schnitzen. Und einen Barbier konnte ich mir nicht leisten. Also ließ ich mir den Bart stehen.«
    »Gut!« Bergon ging wieder zur Tür und schob den Kopf hindurch in den Flur: »Alles in Ordnung, ihr könnt hereinkommen.«
    Auf den Befehl des Prinzen marschierten ein Barbier sowie ein Dienstbote ins Gemach; Letzterer trug einen Krug mit heißem Wasser. Der Barbier ließ Cazaril niedersitzen und schlug ein Tuch um seinen Oberkörper. Noch bevor Cazaril irgendetwas sagen konnte, fand er sein Gesicht in Seifenschaum gehüllt. Der Diener hielt eine Schüssel unter Cazarils Kinn, während der Barbier sich mit seiner Klinge ans Werk machte und dabei vor sich hin summte. Cazaril schielte über seine Nase hinab, als seifige Klümpchen mit grauen und schwarzen Haaren in die Zinnschale klatschten. Der Barbier gab beunruhigende Laute von sich, aber schließlich lächelte er zufrieden und bedeutete dem Dienstboten mit prahlerischen Gesten, die Schüssel beiseite zu nehmen. »Bitte schön, der Herr!« Er vervollständigte sein Kunstwerk, indem er Cazarils Gesicht mit einem heißen Handtuch abtupfte und mit einer kalten Tinktur einrieb, die nach Lavendel duftete. Der Prinz warf dem Barbier eine Münze zu, die dieser aus der Luft schnappte; dann verbeugte er sich tief und zog sich mitsamt dem Diener rückwärts zur Tür zurück.
    Frauen kicherten draußen auf dem Gang. Ein Stimme flüsterte, jedoch nicht leise genug: »Seht Ihr, Iselle! Er hat ein Kinn! Ich hab’s Euch ja gesagt.«
    »Ja, und ein ziemlich hübsches dazu!« Kerzengerade stolzierte Iselle herein und versuchte, möglichst königlich auszusehen. Sie trug noch das kunstvoll gearbeitete Kleid, das sie für die Amtseinführung angelegt hatte, und doch schaffte sie es nicht, ernst zu bleiben. Sie schaute Cazaril an und lachte los. Die beinahe ebenso fein gewandete Betriz blickte ihr ü ber die Schulter; ihr Gesicht schien nur aus Grübchen und strahlenden braunen Augen zu bestehen, umrahmt von einer kunstvollen Frisur mit vielen schwarzen Löckchen, die auf faszinierende Weise auf und nieder hüpften, wenn sie sich bewegte. Iselle schlug die Hand vor den Mund. »Bei den Göttern, Cazaril! Wenn man Euch erst mal hinter dieser grauen Hecke hervorholt, seid Ihr gar nicht mal so alt!«
    » Überhaupt nicht alt!«, berichtigte Betriz unerschütterlich.
    Beim Eintreten der Königin hatte Cazaril sich erhoben und höflich verneigt. Ganz gegen seinen Willen wanderte seine Hand zum ungewohnt nackten Kinn. Niemand hatte ihm einen Spiegel angeboten, um einen Blick auf die Ursache all
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