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Celinas Tochter

Celinas Tochter

Titel: Celinas Tochter
Autoren: Brown Sandra
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Großmutter wäre kritisch. Sie betrat das stille Privatzimmer und ging auf das Krankenhausbett zu. Merles Körper war seit Alex’ Besuch letzte Woche in sich zusammengefallen. Aber ihre Augen funkelten wie Silvesterraketen, nur war es ein feindseliges Funkeln.
    Â»Komm hier nicht rein«, ächzte Merle kurzatmig. »Ich will dich nicht sehen. Das ist alles nur wegen dir!«
    Â»Was, Großmama?« fragte Alex entsetzt. »Wovon redest du überhaupt?«
    Â»Ich will dich hier nicht haben.«

    Beschämt über diese krasse Abfuhr sah Alex den anwesenden Arzt und die Schwestern an. Sie zuckten ratlos die Schultern. »Warum willst du mich nicht sehen? Ich bin den ganzen weiten Weg von Austin hergekommen.«
    Â»Es ist deine Schuld, daß sie gestorben ist, weißt du. Wenn du nicht gewesen wärst...« Merle stöhnte vor Schmerz und klammerte sich mit bleistiftdünnen, blutleeren Fingern an ihr Laken.
    Â»Daß sie...? Du sagst, ich wäre verantwortlich für Mutters Tod?«
    Merle riß die Augen auf. »Ja«, zischte sie böse.
    Â»Aber ich war doch erst ein Baby, ein Säugling«, wehrte Alex ab und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wie sollte ich...«
    Â»Frag sie alle.«
    Â»Wen, Großmama? Wen soll ich fragen?«
    Â»Den, der sie ermordet hat. Angus, Junior, Reede. Aber du warst es, du... du... du...«
    Der Arzt hatte Alex aus dem Zimmer bringen müssen, mehrere Minuten nachdem Merle in ein tiefes Koma gefallen war. Die schreckliche Beschuldigung hatte sie gelähmt, dröhnte durch ihr Gehirn und griff ihre Seele an.
    Wenn Merle Alex für den Tod von Celina verantwortlich machte, dann erklärten sich so viele Dinge, die Alex seit ihrer Kindheit gespürt hatte. Sie hatte sich immer gefragt, wieso Großmama Graham nie sonderlich liebevoll mit ihr umgegangen war. Gleichgültig wie bemerkenswert Alex’ Leistungen waren, sie reichten nie für ein Lob von Großmama. Sie wußte, daß sie niemals als so talentiert, klug oder gemütvoll galt wie das lächelnde Mädchen auf dem Foto, das Merle mit so trauriger Sehnsucht anzustarren pflegte.
    Alex haßte ihre Mutter nicht. Im Gegenteil, sie hatte sie wie ein Idol verehrt, mit der blinden Leidenschaft eines Kindes, das ohne Eltern aufgewachsen war. Sie bemühte sich ständig, genausogut in allem zu sein wie Celina; nicht nur, um eine würdige Tochter zu sein, sondern auch in der verzweifelten
Hoffnung, die Liebe und Anerkennung ihrer Großmutter zu gewinnen. Deshalb war sie wie vom Donner gerührt, als die sterbende Großmutter ihr den Mord an Celina in die Schuhe schob.
    Der Arzt hatte behutsam vorgeschlagen, es wäre doch vielleicht in ihrem Sinne, Mrs. Graham von den lebenserhaltenden Apparaten abzukoppeln. »Wir können jetzt nichts mehr für sie tun, Miss Gaither.«
    Â»O doch«, sagte Alex so heftig, daß er erschrak. »Sie können sie am Leben erhalten. Ich möchte mit Ihnen in ständiger Verbindung bleiben.«
    Sofort nach ihrer Rückkehr nach Austin begann sie im Mordfall Celina Gaither zu recherchieren. Sie verbrachte viele schlaflose Nächte mit dem Studium von Protokollen und Gerichtsdokumenten, bevor sie ihren Boß, den Bezirksstaatsanwalt von Travis County, darauf ansprach.
    Greg Harper hatte seine brennende Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen geschoben. Im Gerichtssaal war Greg die Geißel schuldiger Angeklagter, lügender Zeugen und gesitteter Richter. Er redete zu laut, rauchte zuviel, trank reichlich und trug fünfhundert Dollar teure Nadelstreifenanzüge mit Eidechsenstiefeln, die doppelt soviel kosteten.
    Ihn als Angeber und Egomanen zu bezeichnen wäre eine glatte Untertreibung. Er war klug, ehrgeizig, rücksichtslos, ohne Erbarmen und hatte ein echtes Schandmaul, was seine Chancen, in die Politik des Staates einzusteigen, ziemlich schmälerte, und ausgerechnet das war sein größter Ehrgeiz. Er war ein Anhänger des Pluspunktesystems und dankbar für unverbogene Talente. Deshalb stellte er Alex in sein Team ein.
    Â»Sie wollen einen fünfundzwanzig Jahre alten Mordfall aufrollen?« fragte er, als sie ihm erklärte, warum sie ihn um das Arrangieren dieses Treffens gebeten hatte. »Grund?«
    Â»Das Opfer war meine Mutter.«
    Zum ersten Mal seit sie ihn kannte, hatte Greg eine Frage gestellt, auf die er die Antwort noch nicht kannte – oder
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