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Cathérine de Montsalvy

Titel: Cathérine de Montsalvy
Autoren: Benzoni Juliette
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Mann, der nicht an Gott glaubte, sondern seinen Glauben aus den uralten abergläubischen Bräuchen des Nordens nährte, aus antiken, mit den Drachenschiffen ins Land gebrachten Legenden, hatte aus seiner heidnischen Liebe für Cathérine eine Art Religion gemacht. Seit Arnaud de Montsalvy in die Leprastation gesperrt worden war und Cathérine ihn beweinte, hatte auch Gauthier aufgehört zu leben. Er fand keinen Geschmack an der Jagd und verließ die Festung überhaupt nicht mehr. Es war ihm unerträglich, sich auch nur einen Augenblick von Cathérine zu entfernen, und er hatte den seltsamen Eindruck, daß es um ihr Leben geschehen sei, wenn er aufhörte, über sie zu wachen. Aber wie lang einem die Zeit dabei wurde! Er sah mit an, wie sich die Tage aneinanderreihten, immer dasselbe, ohne daß man damit rechnen konnte, daß der Augenblick einträte, in dem Cathérine bereit wäre, ihren Kummer abzuschütteln. Und nun, wunderbarerweise, war dieser Augenblick gekommen! Man würde abreisen, dieses verfluchte Schloß verlassen, endlich etwas unternehmen! Und Gauthier in seiner simplen Seele war nicht weit davon entfernt, den kleinen Mönch vom Mont Beuvray für einen Wundermann zu halten.
    Die dritte Person war Sara, die treue, ins Abendland verschlagene Zigeunerin, die Cathérine aufgezogen hatte und ihr durch alle Stadien ihres bewegten Lebens gefolgt war. Mit mehr als fünfundvierzig Jahren hatte Sara, die Schwarze, sich ihre Jugend und Vitalität bewahrt. Ihr dichtes schwarzes Haar wies kaum graue Fäden auf. Ihre braune Haut, glatt und zart, zeigte kein einziges Fältchen. Nur eine behagliche Körperfülle hatte sie sich angegessen, die sie für lange Ritte untauglich machte; aber die ererbte Liebe für die Landstraßen überwand die Sorge um das eigene Wohlbefinden, und wie Gauthier litt sie Qualen, wenn sie sah, wie Cathérine sich lebendig in der Auvergne begrub und nur noch für den dünnen Faden existierte, der sie mit dem Klausner von Calves verband. Die Ankunft Bruder Etiennes war ein wahrer Segen. Der Ruf der Königin würde die junge Frau aus ihrem Schmerz reißen, würde sie nolens volens zwingen, sich wieder dieser Welt zuzuwenden, die sie ablehnte. Und Sara wünschte im Grunde ihres liebenden Herzens, daß Cathérine sich finge und das Leben wieder liebte. Dabei ging sie nicht so weit, ihr eine neue Liebschaft zu wünschen: Cathérine war eine Frau, die nur eine einzige Leidenschaft kannte. Trotzdem, das Leben renkt die Dinge ein! Oft, in der Stille der Nacht, hatte Sara, die Zigeunerin, das Feuer und das Wasser befragt, um ihnen das Geheimnis der Zukunft zu entlocken. Aber das Feuer verlosch, das Wasser blieb klar, und alle Visionen, die sie bisweilen hatte, bewahrheiteten sich nicht. Das Buch des Schicksals blieb für Sara seit dem Aufbruch Arnauds verschlossen.
    Ein einziger Umstand quälte sie: den kleinen Michel verlassen zu müssen, für den sie ein Gefühl empfand, das sehr nahe an Anbetung grenzte. Aber Sara ließ nicht zu, daß Cathérine sich allein in ein Abenteuer stürzte. Der Hof war ein gefährlicher Ort, und die Zigeunerin nahm sich vor, sich persönlich um die junge Frau zu kümmern. Seelisch verwundet und dadurch anfällig geworden, hatte Cathérine es nötig, daß man ein wachsames Auge auf sie hielt. Michel, das wußte Sara wohl, würde vollkommen sicher sein, und es würde ihm bei seiner Großmutter an nichts fehlen, die ihn vergötterte und mit jedem Tag mehr den verlorenen Sohn in ihm wiederfand.
    In einigen Wochen würde das Kind ein Jahr alt sein. Groß und kräftig für sein Alter, war es das prächtigste Baby, das Sara je gesehen hatte: Rund und rosig, hatte es hübsche, klare blaue Augen, und kräftige Locken, strahlend wie Goldspäne, bedeckten dicht seinen Kopf. Michel betrachtete alles mit ernster Miene; wenn er aber lachte, erstickte er fast. Er zeigte sich bereits sehr tapfer, und nur die Entzündung seiner Wangen kündigte das Zahnen an, denn das Baby weinte nicht. Wenn es zu sehr litt, liefen ihm große Tränen die Wangen hinunter, aber seinem kleinen, schmerzverzogenen Mund entrang sich kein Laut. Die Garnison wie die Bauern beteten es einhellig an, und Michel, sich seiner Macht schon bewußt, herrschte über seine Umwelt wie ein kleiner Tyrann, wobei seine bevorzugten Sklaven seine Mutter, seine Großmutter, Sara und die alte Donatienne, die als Kammerfrau bei Dame Isabelle dienende Bäuerin aus Montsalvy, waren. Gauthier gegenüber verhielt sich das Kerlchen
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