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Cathérine de Montsalvy

Titel: Cathérine de Montsalvy
Autoren: Benzoni Juliette
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Cathérine die Rolle, brach das Siegel auf und entfaltete sie.
    Sie enthielt nur wenige Worte, aber während sie las, stieg ihr die Freudenröte ins Gesicht.
    »Geht in Frieden«, hatte Bernard de Calmont geschrieben. »Und Gott begleite Euch! Ich werde über das Kind und Montsalvy wachen …«
    Der Blick, den sie dem Bruder Pförtner zuwarf, war glückstrahlend. In ihrer Begeisterung küßte sie die Unterschrift des Briefes, bevor sie ihn in ihren Almosenbeutel steckte, dann streckte sie ihrem Gefährten die Hand hin.
    »Hier trennen wir uns nun. Kehrt nach Montsalvy zurück, Bruder Eusebius, und sagt dem Sehr Ehrwürdigen Abt, daß ich mich schäme, ihm nicht genügend Vertrauen geschenkt zu haben, aber daß ich ihm danke. Bringt ihm die Maultiere zurück, ich brauche sie nicht. Ich werde meinen Weg wie die anderen zu Fuß zurücklegen.«
    Dann wandte sie sich um und ging schnell davon, leicht wie ein befreiter Vogel, zur anderen Seite der Straße, wo ein schönes Schild hing, das einen Pilger mit einem großen Hut, den Stab in der Hand, zeigte und allen verkündete, daß für ›Die Straße nach Compostela‹ Meister Croizat eine Ausstattungsboutique für die fromme Reise unterhalte.
    Die zum Aufbruch Gerüsteten zählten an die fünfzig, Männer und Frauen, aus der Auvergne, der Franche-Comté und sogar aus Deutschland. Sie gruppierten sich nach Herkunft oder geistiger Verwandtschaft, doch einige blieben für sich, zogen ihre Einsamkeit und ihre eigene Gesellschaft vor.
    Inmitten ihrer neuen Gefährten wohnte Cathérine dem österlichen Hochamt bei. Sie sah nur einige Schritte von sich entfernt König Karl VII. vorübergehen und den hohen Sessel einnehmen, der für ihn im Chor aufgestellt war. Neben ihm erkannte sie die mächtige Gestalt Arthur de Richemonts. Der Konnetabel von Frankreich nahm an diesem Ostertag seinen Rang und sein Amt offiziell wieder ein. Zwischen seinen kräftigen Händen sah die junge Frau den großen blauen, mit goldenen Lilien verzierten Degen blitzen.
    Sie sah auch die Königin Marie, und im Gefolge Richemonts entdeckte sie die hohe Gestalt Tristan l'Hermites … Tristan, ihr letzter Freund!
    Die Versuchung war groß, die schweigenden Reihen, die sie umgaben, zu durchbrechen, zu ihm zu gehen … Es wäre gut, seine Freudenrufe zu hören, alte Erinnerungen aus vergangenen Tagen wachzurufen …
    Aber sie unterdrückte ihre Regung. Nein … sie gehörte nicht mehr zu dieser glänzenden, farbigen, prunkvollen Welt. Zwischen ihr und dieser Welt stand jetzt das Versprechen vom Abend zuvor, die weiße Kutte dieses Bischofs, der da unten im erleuchteten Chor die Messe in vollem Ornat zelebrierte. Die unsichtbare Schranke, die sie von diesem Hof trennte, zu dem sie von Rechts wegen noch gehörte, wollte Cathérine nicht durchbrechen. Die Zukunft lag woanders, und weit davon entfernt, sich zu zeigen, machte sie sich ganz klein inmitten ihrer Nachbarn, zwischen einem riesigen, angegrauten und bärtigen Burschen, der mit einer Stimme wie eine große Orgel sang, und einer hageren, blassen Frau, deren fanatischer Blick am schimmernden Altar hing. Als sie sie betrachtete, schwankte Cathérine zwischen Mitleid und Abscheu, aber sie bezweifelte, ob diese Frau, die offensichtlich krank war und von Zeit zu Zeit einen trockenen, dumpfen Husten hören ließ, die Anstrengungen der Wallfahrt aushalten könnte.
    Was sie betraf, wer hätte denn die Gräfin de Montsalvy, die schöne Witwe von Chinon, die von Pierre de Brézé angebetet worden war, wer hätte sie in dieser Frau, die wie alle ihre Gefährten gekleidet war, erkannt? Ein grobes graues Kleid aus dickem Wollstoff über einem Linnenhemd, feste Stiefel, ein weiter, jedem Wind und Wetter gewachsener Mantel und über dem dünnen, feinen Kopftuch, das ihr Gesicht umschloß, ein großer schwarzer Filzhut, dessen Krempe vorn durch eine Muschelspange aus Zinn aufgebogen wurde. Im Almosenbeutel an ihrem Gürtel hatte sie Gold und natürlich Arnauds Dolch, ihren treuen Kameraden in schweren Tagen und auf gefährlichen Reisen. Schließlich hielt sie in der rechten Hand das Sinnbild des Pilgers, den berühmten Pilgerstab, den langen Stock, an dessen Spitze ein runder Kürbis hing … Nein, niemand hätte sie in diesem Aufzug erkannt, und Cathérine freute sich darüber. Sie war nur eine Pilgerin unter anderen Pilgern …
    Die Zeremonie ging ihrem Ende zu. Die ernste Stimme des Bischofs hatte seine guten Reisewünsche an die Aufbrechenden ausgesprochen. Jetzt
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