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Cashkurs

Cashkurs

Titel: Cashkurs
Autoren: Dirk Mueller
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der großen Vertriebsorganisationen an Finanzkonzerne angedockt: Branchenprimus DVAG hat den Alleinvertrieb für die Aachen-Münchener-Versicherung übernommen, der umstrittene Starverkäufer Carsten Maschmeyer hat den AWD an die schweizerische Assekuranz Swiss Life verkauft, und bei der OBV -Vertriebsgruppe stellen einige wenige Versicherungskonzerne wie Deutscher Ring, Signal Iduna und Generali die Policen aus.
    Aber auch ohne die Teilhaberschaft eines Versicherungskonzerns oder einer Bank steht hinter der vermeintlichen Unabhängigkeit der Beratung ein dickes Fragezeichen. Die Abschlussprovision für die verkauften Finanzprodukte ist nämlich die einzige Ertragsquelle für die Vertriebskonzerne, und wenn diese nicht mehr sprudelt, sitzt das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit auf dem Trockenen.
    In den vergangenen Jahren gab es häufig Beschwerden von Anlegern und Verbraucherschützern über aggressive Vertriebsmethoden. So wurden beispielsweise die berüchtigten »Schrottimmobilien« – das waren überteuerte Wohnungen zumeist im Osten der Republik – in den neunziger Jahren größtenteils von Finanzvertrieben an nichtsahnende Privatanleger vermittelt.
    Die Finanzvertriebe sind oft ein großes Tummelbecken abenteuerlicher Gestalten. Sogenannte Strukturvertriebe – die Mitarbeiter nennen sich selbst abschätzig »Strukkis« – werden wie Schneeballsysteme aufgebaut. Der Höchste in der Hierarchie versucht neue Vertriebsleute anzuwerben. Oft Menschen, die nicht den Hauch einer Ahnung von Finanzprodukten haben. Arme Schlucker, denen durch die drohende Arbeitslosigkeit das Wasser bis zum Hals steht. Die werden dann mit wenigen Tagen »Crashkurs« (nein, Gott sei Dank hat das nichts mit meinem Buch zu tun!) mit gefährlichem Halbwissen vollgepumpt, in »Motivationsseminaren« heiß gemacht und dann auf ihre Verwandtschaft losgeschickt. So läuft das in der Tat: »Machen Sie eine Liste von allen Menschen, die Sie kennen, schreiben Sie dahinter, was Sie über diese Freunde wissen, und jetzt los ans Telefon!« Wenn Sie einen solchen Schwager in der Verwandtschaft haben, dann hilft nur freundliche Härte.
    Dieses Konzept setzt auf das Vertrauen unter Freunden, Bekannten und Verwandten. Da vergisst der potenzielle Kunde schnell mal die Vorsicht, wenn der langjährige Kegelbruder es empfiehlt, kann es ja nur gutgehen. Der aber wurde durch »Seminare« auch vollkommen hirngewaschen und glaubt wirklich, dass die Produkte taugen. Er hat nur eben keinen blassen Schimmer davon, was er da eigentlich verkauft. Woher auch. Derjenige, der ihn angeworben hat, bekommt bei jedem Abschluss einen ordentlichen Teil der Provision. Ohne Arbeit! Der über ihm in der Hierarchie bekommt ebenfalls was ab, und so baut sich eine Pyramide von »Strukkis« auf. Der arme Kerl, der seine Freunde über den Leisten zieht, ohne es zu wissen, riskiert mehr als ein blaues Auge und den Verlust seiner sämtlichen sozialen Kontakte, während die ganz oben in der Pyramide sich die dicken Autos von den Erträgen ihrer »Indianer« leisten.
    Vor vielen Jahren, als mich noch nicht jeder auf der Straße erkannte, habe ich mich in Wallraffscher Manier von einem solchen Strukturvertrieb auf der Straße anwerben lassen und habe das erste Seminar besucht, weil ich wissen wollte, wie so etwas aufgezogen wird. Eine faszinierende Welt von lauten Jungstrukkis in billigen Anzügen, das Haar à la Guttenberg nach hinten gegelt, die entweder in Nebenzimmern von Gaststätten oder – gehobener – in ultramodern eingerichteten »Konzernzentralen« ihre Opfer in Gruppentherapiesitzungen bequatschen. Als ich es nicht mehr ertragen konnte und die Veranstaltung mit klaren Statements und entlarvenden Fragen gesprengt habe, hat man mich zum Bezirksleiter gebeten. Der meinte doch wirklich allen Ernstes: »Ja, Sie haben unser System durchschaut. Genau solche Leute wie Sie brauchen wir als Führungskraft. Indianer haben wir jede Menge, aber eben nur wenige Häuptlinge, die verstehen, wie das Spiel gespielt wird. Wie sieht’s aus?«
    Ich habe ihm das Kriegsbeil an den Kopf geworfen und, wie Sie sehen, bis heute nicht mehr begraben.
    Fazit: Von den Vertretern dieses Segments sollten Sie keine unabhängige Beratung erwarten. Das Risiko, ein unpassendes Finanzprodukt angedreht zu bekommen, steigt mit dem Druck, der auf dem Vermittler lastet. Schließlich verdient dieser sich seinen Lebensunterhalt allein mit Provisionen …
    Versicherungsmakler und Vermittler
ohne feste
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