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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
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Glück, daß ich Polizeiverhöre von der anderen Seite her
kannte, sonst wäre ich sicher nervös geworden bei all dem Kommen und Gehen und
den sinnlosen, immer gleichen Fragen.
    Mooney war beim erstenmal dabei
und merkte sich hoffentlich alles — damit er seine Version mit meiner in
Übereinstimmung bringen konnte. Flaherty war tot. Was tat es schon, wenn die
alten Käuze aus der Sache herausgehalten wurden! Nicht, daß sie Schutz verdient
hätten, die verdammten Narren. Aber Gloria. Und Sam.
    Ich fragte mich, wer wohl John
Flahertys Mutter sagen würde, daß ihr Sohn tot war. Und wer würde es Sam sagen?
    Ich wurde zusehends unruhiger,
als die Stunden vergingen, nicht weil ich wirklich dachte, sie würden mich
festhalten, sondern weil ich Paolina nicht enttäuschen wollte. Langsam
sickerten Nachrichten von anderen Drogenfestnahmen durch. Ob es nicht seltsam
sei, fragte Bulle um Bulle, daß die Informanten ausgerechnet in dieser Nacht so
hilfsbereit gewesen seien? Ja, schwärmte ich, der Anruf des Oberbürgermeisters Drop
a Dime / Stop a Crime habe doch wirklich Wunder gewirkt, nicht wahr?
Ich starrte auf meine Uhr. Ich hörte meinen Magen knurren.
    Um fünf nach fünf zog ich
Mooney beiseite und erklärte ihm, daß ich unbedingt gehen müsse.
    Um halb sieben kam er in das
Vernehmungszimmer gestürmt und unterbrach zwei frischgebackene Kriminalbeamte
mit der Nachricht, er müsse Miss Carlyle zum Bezirk B hinüberbringen. Ich
schwieg still, bis wir sicher aus dem Gebäude heraus waren. Dann fiel mir der
Kater ein.
    «Keine Sorge. Deine Mieterin
ist gekommen und hat ihn erlöst.»
    «Hast du sie gesehen?»
    Er nickte. «Pinkfarbenes Haar
mit einem lila Streifen. Hast eine nette Mieterin.»
    «Muß ich mit auf die B-Wache?»
    «Nicht nötig. Diese Typen haben
dich nur zur Übung befragt. Ich bringe dich nach Hause.»
    «Mein Auto -»
    «Beschlagnahmt. Du kannst es
morgen vielleicht schon wiederhaben. Ich will sehen, was ich tun kann.»
    «Danke.» Mein Mund war so
trocken, daß ich kaum Worte formen konnte.
    Mooneys Auto stand gut einen
halben Meter vom Bürgersteig weg im Parkverbot. Er hat einen alten verbeulten
spritschluckenden Buick, dessen Beifahrertüren nur von innen aufgehen. Ich
schlüpfte von der Fahrerseite aus hinein.
    «Wie geht’s dir denn?» fragte
Mooney, sobald wir es uns bequem gemacht hatten. In all den Stunden seit
Flahertys Tod hatte mich das noch kein Mensch gefragt.
    Ich schluckte und schnitt eine
Grimasse. «Ganz gut. Und dir?»
    «Ganz gut.» Er zündete sich
eine Zigarette an und schüttelte den Kopf, wie immer, wenn ihm bewußt wird, daß
er nach wie vor das Rauchen nicht aufgegeben hat. «Du lügst recht gut.»
    «Du auch, nehme ich an, sonst
müßten wir uns wohl eine Zelle teilen.»
    «Vielleicht muß ich doch die
Taxifirma angeben. Wenn wir nämlich den Mord an Devens nicht aus irgendeinem
Punk herausquetschen können.»
    «Na schön», sagte ich. Mir war
es inzwischen gleichgültig. So kriegen die Bullen meistens ihre Geständnisse.
Es ist einem einfach egal nach fünfzehn Stunden, in denen man die gleichen
braunen Wände angestarrt, die gleichen Fragen gehört und die gleiche stickige
Luft eingeatmet hat.
    «Was ist denn heute abend so
wichtig? Eine dringende Verabredung?»
    Ich erzählte ihm von Paolina.
    «Willst du direkt zu dem
Konzert hin?»
    Ich betrachtete kurz meine
schludrigen Jeans und die abgetragene Jacke. «Ich muß mich umziehen —»
    «Ich warte auf dich.»
    «Ich kann ein Taxi rufen.»
    «Ich warte gern.»
    Mooney hat unendlich viel
Geduld, deshalb ist er auch ein so guter Cop. Ich sauste nach oben, zog ein
grünes Kleid an, bürstete mir das Haar und war nach genau acht Minuten wieder
zurück. Das Bett winkte zwar verführerisch, aber ich wußte, daß ich neun
Stunden liegen bleiben würde, wenn ich mich auch nur eine Sekunde hinlegte. Und
Paolina rechnete fest mit mir.
    Am Harvard Square vorbei rasten
wir durch die Broadway-Schlaglöcher nach East Cambridge. Wir sprachen nicht
miteinander und hörten auch kein Radio, aber die Stille war warm und angenehm.
Lädierte Autos füllten den kleinen Parkplatz in der Nähe von Paolinas Schule.
    «Danke schön, Mooney», sagte
ich und machte mich zum Absprung fertig.
    «Warte noch. Ich finde schon
einen Platz.»
    «Ich kann doch hier
aussteigen.»
    «Sag mal, hast du was dagegen,
wenn ich mitkomme?» fragte er.
    «Ach, Mooney, es ist ein
Schulkonzert, ein Kinderorchester. Tu deinen Ohren lieber einen Gefallen.»
    «Ich mag
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