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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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ich bockig klang, wusste aber nicht, was ich dagegen tun sollte. Ich
hatte eigentlich zumindest ansatzweise einen coolen, welterfahrenen Eindruck machen wollen. »Ich meine, es gibt kein Problem. Ich sehe jugendlich aus, ich bin attraktiv, aber …«, piepste ich. Das klang ja nun wirklich völlig bescheuert. Großartiges Bewerbungsgespräch. Extrem wortgewandt. Mit dieser Eloquenz sollte ich es vielleicht mal als Dozentin probieren.
    Im Tonfall von Peach vollzog sich eine kaum merkliche Veränderung. Als ich sie später besser kannte, bemerkte ich diesen subtilen Wechsel in Haltung und Benehmen sofort: Sie schlüpfte in die Rolle der Kindergärtnerin, deren Schützlinge den Anweisungen nicht folgen. Kinder haben zu gehorchen. Erzähl mir nicht, dass du schwierig sein willst. »In meiner Agentur arbeiten ganz unterschiedliche Frauen«, sagte sie. »Unsere Kunden haben alle möglichen Vorlieben. Ich habe bereits einen oder zwei im Sinn, die dir bestimmt gefallen werden – einer ist Chirurg, der andere Musiker. Das sind Männer, die sich gern unterhalten. Sie werden deine Qualitäten zu schätzen wissen und sind nicht einfach nur auf einen kurzen Besuch aus.« Peach achtete darauf, das Wort mit S nicht zu benutzen und nicht weiter ins Detail zu gehen als notwendig. »Kommt schon, Kinder, Schluss mit den Albernheiten. Hört auf Nanny.«
    Ich versuchte, weder trotzig noch dickköpfig zu klingen: »Ich möchte dich trotzdem vorher einmal treffen. Ich möchte, dass du mich siehst. Ich möchte mir sicher sein.«
    Peach ließ sich nicht erweichen. »Ein Treffen macht erst Sinn, wenn dir die Arbeit gefällt, wenn du weitermachen willst. Und mach dir keine Sorgen – du bist perfekt angezogen. Viele Kunden stehen auf legere Kleidung. Also, mach’s oder lass es bleiben. Es ist deine Entscheidung. Ruf mich um sieben an, wenn du willst, und ich treffe die Verabredung für dich.«
    Und dabei blieb es. Tu es oder lass es bleiben.
    Ich entschied mich fürs Tun.
    Sie hielt Wort. Als ich gegen sieben wieder bei ihr anrief, ratterte
sie Informationen herunter wie ein Maschinengewehr, während ich versuchte, mit ihrem Stakkato-Rhythmus Schritt zu halten und die Daten emsig auf die Rückseite eines Briefumschlags kritzelte. »Er heißt Bruce, seine Telefonnummer ist 555-4629. Dein Name ist Tia – so wolltest du doch genannt werden, oder? Wie auch immer, du bist 26, wiegst 125 Pfund, deine Maße sind 90-60-89. Körbchengröße C. Du bist Studentin. Ruf ihn an, und meld dich noch mal bei mir, wenn du mit ihm gesprochen hast.«
    Ich fragte mich, ob sie ihren Mitarbeiterinnen immer erzählte, wie sie vermeintlich aussahen. Aber ich mochte nicht fragen, und später fand ich heraus, dass Peach tatsächlich eine maßgeschneiderte Beschreibung nach den Wünschen des Kunden anfertigte. Im Rahmen des Möglichen natürlich. Doch im Moment fühlte ich mich einfach vom Tempo des Ganzen erschlagen. »Peach«, sagte ich zögernd, »ich rufe an, um dir zu sagen, dass ich es einmal ausprobieren möchte. Wie konntest du mir so schnell einen Kunden besorgen?«
    Sie lachte. »Ich hatte das Gefühl, dass du Ja sagen würdest. Und Bruce rufe ich immer an, wenn ich ein neues Mädchen habe. So, jetzt ruf ihn selbst an. Hast du dir alles gemerkt, was ich dir gesagt habe?«
    Kaum. Das waren ziemlich viele Daten, dachte ich, während ich auf den Umschlag starrte. Eine Menge Daten, von denen ich mir nie hätte träumen lassen, dass ich sie einmal zur Beschreibung meiner Person verwenden würde. Ich erinnerte mich an einen Satz aus Half Moon Street . »Mach dir keine Sorgen. Darunter bin ich nackt!«
    Darauf wollten die Kunden von Peach anscheinend nicht blind vertrauen.
    Na gut, ich hatte keine Ahnung, wie meine wahren Maße lauteten, aber die angegebenen klangen so gut wie alle anderen. Ich atmete tief durch. Es passierte tatsächlich. Ich arbeitete bei einem Escort-Service!

    Bruce bat mich, die Zahlenangaben nochmals zu wiederholen, schien aber ansonsten recht nett zu sein (was hatte ich erwartet? Einen Stotterer?) und beschrieb mir den Weg zu einem Jachthafen in Revere. Wie sich herausstellte, wohnte er auf einem Boot.
    Er war ein Bär von einem Mann, hatte einen Bart und lustig zwinkernde Augen hinter einer Brille. Wir setzten uns auf ein kleines Sofa in der Kajüte seines Segelboots, tranken einen sehr schönen, gekühlten Montrachet und unterhielten uns über Musik, auch wenn unser Gespräch immer wieder von verlegenen Pausen unterbrochen wurde. Das Ganze
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