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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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ausschrieben. Immerhin hatten wir die Neunziger, und Stipendien und andere finanzielle Mittel wurden nicht mehr so großzügig verteilt wie früher. Aber ich wollte trotzdem weitermachen, weil es nicht nur der Beruf war, den ich mir ausgesucht hatte, sondern auch meine Berufung.
    Als ich anfing, für einen Escort-Service zu arbeiten, unterrichtete ich verschiedene Kurse, die jeweils über ein Semester liefen. Bei Semesterende erhielt ich die nicht besonders stolze Summe von 1300 Dollar (brutto) pro Seminar.
    Die Frau, die ich Peach genannt habe, leitete eine Agentur, die man als Begleitagentur der mittleren Kategorie bezeichnen könnte. Tja, wie erkläre ich das am besten? Zu Peach kamen nicht die
berühmten Rockstars, die ein Konzert in der Stadt gaben, aber deren Gefolge. Zu ihr kamen Männer, die an der Spitze von Unternehmen standen, aber es waren nicht unbedingt Unternehmen mit allgemein bekannten Namen. Ihre Kunden besaßen Eigentumswohnungen in den Four Seasons, aber nicht im Customs House. Zu Peach kamen keine Kunden, die einen schnellen Blowjob im Auto verlangten, aber auch selten Männer, die das Mädchen für eine Woche mit auf die Bahamas nehmen wollten.
    Peach suchte ihre Mitarbeiterinnen per Inserat. Die Inserate hoben sich von anderen derartigen Stellenanzeigen ab, weil sie ein Mindestmaß an Collegebildung verlangten. Fakt ist, dass Peach zur Tilgung zahlreicher studentischer Ausbildungsdarlehen beigetragen hat. Sie hatte sich auf eine Nische spezialisiert: Sie verstand sich gut mit Kunden, die sich als Beigabe zum Sex eine intelligente Unterhaltung wünschten. Sie weckte Loyalitätsgefühle bei ihren Callgirls und bei ihren Klienten, und sie war gegenüber beiden Seiten um Fairness bemüht.
    Zu ihren Klienten gehörten Universitätsdozenten, Börsenmakler und Juristen. Es waren Unterweltgrößen, die Peach anboten, ihre Probleme für sie »in Ordnung zu bringen«, oder Computerfreaks, die bei Cup C nicht an die Körbchengröße, sondern an Laufwerke dachten. Sie besaßen Gaststätten, Nachtklubs und Fitnesscenter. Zu den Kunden von Peach gehörten behinderte, gestresste, unbeholfene oder kontaktscheue Männer ebenso wie angehende Ehemänner, die ihren Abschied vom Junggesellenleben feiern wollten. Sie trafen sich mit den Frauen in Büros, in Restaurants, auf Schiffen und in ihren eigenen Ehebetten, in schäbigen Motels an Einkaufsstraßen oder in einer Suite des Park Plaza Hotels. Es war die unsichtbarste, unauffälligste Gruppe von Männern in Boston, deren einzige Gemeinsamkeit darin bestand, dass sie es sich leisten konnten, 200 Dollar für eine Stunde in angenehmer Gesellschaft zu zahlen.
    Sie nutzten die Zeit, für die sie zahlten, auf die unterschiedlichste
Weise, und das ist auch meine übliche Antwort, wenn jemand (und irgendjemand tut das in Gesprächen über diese Profession garantiert) etwas Abwertendes über die vermeintliche Erniedrigung sagt, die seiner Ansicht nach damit verbunden ist, wenn man Sex gegen Geld tauscht. Denn nach meiner Erfahrung ergibt das keinen Sinn.
    Vielleicht halten Sie das jetzt für bloße Wortklauberei, doch lassen Sie mich erklären, was ich meine. Viele Menschen in einer Vielzahl von Berufen werden nach Stunden bezahlt, richtig? Konzernchefs engagieren zum Beispiel Unternehmensberater, weil diese über Fähigkeiten auf einem bestimmten Fachgebiet verfügen, die der Unternehmensleiter sich selbst aneignen, für seine Firma nutzen oder an seine Mitarbeiter weitergeben möchte. Der Unternehmensleiter – oder Kunde – bezahlt den Consultant nach Stunden. In dieser Zeit erledigt der Berater bestimmte vorher ausgehandelte und in gegenseitigem Einvernehmen festgelegte Aufgaben für den Klienten.
    Der Berater nutzt sein Fachwissen und seine Erfahrung, um eine kreative Leistung für den Kunden zu erbringen. Er verkauft nicht sich selbst. Er ist ein Experte auf seinem Gebiet und bietet eine professionelle Dienstleistung an. Er verfügt über Fachkenntnisse, für die eine Nachfrage besteht, und der Kunde ist bereit, einen vorher festgelegten Stundenlohn dafür zu bezahlen. Was der Berater letztlich verkauft, ist seine Zeit. Er behält sein Fachwissen, und der Kunde behält das Produkt, aber die Stunden, die in das Projekt investiert wurden, sind hinterher nicht mehr da.
    Ein Callgirl ist eine Beraterin, die ihre Fachkenntnisse und Erfahrungen in der Verführungskunst nutzt und Lust bereitet; sie erfüllt einen mündlichen Vertrag mit einem Kunden, der sie nach Stunden
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