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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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bezahlt, damit ein ausgehandeltes Projekt abgeschlossen wird. Sie ist eine Expertin auf ihrem Gebiet und bietet eine professionelle Dienstleistung an. Sie verfügt über Fachkenntnisse, für die eine Nachfrage besteht, und der Kunde ist bereit, einen
vorher festgelegten Stundenlohn dafür zu zahlen. Sie setzt ihr Wissen und ihre Erfahrung ein, um eine kreative Leistung für den Klienten zu erbringen; sie verkauft weder sich selbst noch die Mittel, die sie für die Erledigung ihrer Arbeit benötigt.
    Wenn diese beiden Personen durch einen tiefen Abgrund voneinander getrennt sind, wenn die Erniedrigung des einen weit größer ist als die des anderen, dann müsste mir das mal jemand genauer erklären, denn ich sehe da offen gesagt keinen Unterschied.
    Einige meiner Freundinnen arbeiten als Bedienung, als Kellnerinnen in so genannten gehobenen Restaurants an der Newbury Street und der Columbus Avenue oder im Hafenviertel, aber ich könnte nie im Leben ertragen, was sie den ganzen Abend aushalten müssen. Für kein Geld der Welt.
    Apropos Geld: Der Stundenlohn eines Callgirls ist ziemlich gut. Schließlich müssen wir das, was wir bekommen, mit niemandem teilen: weder mit dem Staat oder der Steuerbehörde noch mit der Sozialversicherung. Ich korrigiere mich: Es ist ein verdammt guter Stundenlohn.
    Manche Kunden wollen keinen Sex. Einsame Männer suchen manchmal nur nach Gesellschaft, nach einem Menschen, der ihnen zuhört, und bezahlen dafür gern den vollen Stundenlohn. Ich erinnere mich an eine Szene aus dem Film Frankie und Johnny. Al Pacino, gerade aus dem Gefängnis entlassen, engagiert eine Frau, damit sie sich in Löffelstellung mit ihm ins Bett legt – damit er sich in die Kuhle ihres Körpers kuscheln und dort einschlafen darf, während sie ihn einfach im Arm hält. Ich fand diese Szene immer sehr bewegend.
    Einige Kunden nutzen die Zeit für öffentliche Auftritte in Restaurants oder Konzerten, entweder weil sie wirklich Gesellschaft für diese Aktivitäten wünschen oder weil sie damit prahlen möchten, dass sie mühelos eine hübsche Frau für eine Verabredung finden. Einige Klienten verwechseln uns mit Therapeuten
und nutzen die Zeit, um zu reden, um ihre Probleme und ihre innere Leere mit jemandem zu teilen.
    Doch die Wahrheit ist, dass die meisten Kunden Sex wollen. Einige haben es am liebsten schnell und effizient und stellen es der Frau dann frei zu gehen. Andere möchten lieber, dass der Sex in eine Art Verabredungsprogramm eingebaut wird, und fangen an zu streiten, wenn sie der Ansicht sind, sie hätten eine Minute weniger bekommen als vereinbart. Und dann gibt es noch jede erdenkliche Variante zwischen diesen beiden Extremen.
     
    Aus mehreren Gründen, die Sie sicherlich verstehen werden, habe ich bis auf meinen eigenen alle Namen in diesem Buch geändert. Aber die Menschen, die ich beschreibe, sind nicht erfunden, sondern so real wie ich. Alles, was ich beschreibe, ist tatsächlich Mitte der Neunzigerjahre in Boston passiert.
    Also dann … gehören Sie zu den Menschen, die neugierig sind, die sich Fragen stellen, die es wissen wollen? Wollen Sie wissen, was wir denken, wie wir fühlen, wer wir sind?
    Dann heiße ich Sie in meiner Welt willkommen.

Kapitel 1
    »Vorsicht an der Bahnsteigkante! Vorsicht an der Bahnsteigkante!« Ich stand auf einem Bahnsteig der Londoner U-Bahn und hörte der körperlosen Stimme zu, die mich im Ton einer leicht gereizten Nanny anwies, auf meine Füße zu achten. Ich wusste die Fürsorge zu schätzen, auch wenn der Ton zu wünschen übrig ließ.
    Also stand ich dort und achtete gehorsam auf die Bahnsteigkante, während ich über das Inserat in der Zeitung nachdachte, die zusammengefaltet in meiner Umhängetasche steckte. Ich hatte das Gefühl, dass es mir meilenweit anzusehen war – dass jeder auf dem Bahnsteig genau wusste, was ich überlegte und was in der Anzeige stand.
    Ich hatte den Phoenix bei meiner Abreise in Boston eingesteckt – einem spontanen Impuls folgend, der nicht wirklich ein spontaner Impuls war, sich aber auf jeden Fall als solcher tarnte. Das ist bei meinen Impulsen meistens so. Ich war für eine Woche in London, um einige Vorlesungen an der London School of Economics zu halten, aber meine Gedanken kreisten nicht unbedingt um meine Arbeit.
    Was natürlich so nicht hätte sein dürfen. Es war eine Ehre und ein Privileg, hier sein zu dürfen, und mein Berufsleben sollte eigentlich nicht darunter leiden, dass ich gerade einige Probleme in meinem
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