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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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Privatleben hatte. Aber so läuft es normalerweise immer, oder? Man denkt, man kann die einzelnen Bereiche fein säuberlich voneinander trennen, alles schön in verschiedene Fächer sortieren, so dass nichts durcheinander gerät. Tja, Pustekuchen!
    Mein Privatleben schrie nach Aufmerksamkeit. Laut. Ich brauchte Geld. Ich brauchte viel Geld, und zwar schnell.
    Ich brauchte das Geld, weil Peter, mein jüngst verflossener Lebensabschnittsgefährte, nicht nur beschlossen hatte, nach San Francisco zu fliegen, um sich mit irgendeiner Ex zusammenzutun (mit der er, wie sich später herausstellte, die ganze Zeit hinter meinem Rücken gevögelt hatte), sondern vor seiner Abreise auch noch mein Bankkonto abgeräumt hatte. Der Mann war ein echter Glückstreffer.
    Die Miete war fällig. Auf dem nun leeren Bankkonto hatte sich das gesamte Geld befunden, von dem ich bis zum Ende des Semesters leben musste. Erst dann würden die beiden Colleges, an denen ich im Wahlfach Soziologie unterrichtete, mein Honorar bezahlen. Diese vorgegebenen Rahmenbedingungen erforderten eine langfristige Haushaltsplanung und ließen keinen Raum für zusätzliche oder unerwartete Ausgaben.
    Peters Verschwinden erfüllte alle Kriterien einer unerwarteten Ausgabe.
    Auf jeden Fall waren es noch volle zwei Monate bis zum Ende des Semesters. Deshalb brauchte ich eine Menge Geld.
    Ich bewältigte die Krise auf meine gewohnte Art. Den ersten Abend verbrachte ich damit, mich zu betrinken und mir selbst unendlich Leid zu tun. Am nächsten Morgen stand ich auf, tat, was ich konnte, um meinen Kater zu bekämpfen, und stellte eine Liste auf. Ich liebe Listen. Schon seit ich denken kann. Listen geben mir die Illusion, alles unter Kontrolle zu haben. Ich listete alle Möglichkeiten auf, wie ich zu Geld kommen könnte.
    Die Liste war sehr kurz.
    Das Einzige, was ich auf keinen Fall tun würde, war, in irgendeiner Form um Hilfe zu bitten. Weder meine Familie noch den Staat Massachusetts. Ich war diejenige, die das schlechte Urteilsvermögen gezeigt hatte. Es war nicht einleuchtend, dass andere Leute für meine Fehler bezahlen sollten. Obwohl ich die Worte
»staatliche Hilfe« auf meine Liste geschrieben hatte, übersprang ich also diesen Punkt und nahm mir die anderen Optionen vor.
    Stirnrunzelnd betrachtete ich die verbleibenden Möglichkeiten, strich als Erstes »Kinderbetreuung« durch, weil ich zum einen wirklich ungeeignet für diesen Job bin und weil er zum anderen so schlecht bezahlt wird, dass es kaum einen Unterschied gemacht hätte. Dann betrachtete ich wieder stirnrunzelnd die restlichen Möglichkeiten.
    Ich musste eine dieser Optionen ausprobieren. Es waren nicht mehr viele übrig. Ich atmete tief durch und machte mich an die Arbeit.
    Ich wählte eine Nummer, die ich in einer der Studentenzeitschriften gefunden hatte. Es war eine dieser allgegenwärtigen Anzeigen für die bekannten Jobs, bei denen man in winzigen Kabinen sitzt und Anrufe für 0190-Nummern entgegennimmt. Hallo, wir suchen Frauen für heißen Telefonsex, die jeden Anrufer davon überzeugen, dass sie ganz scharf auf ihn sind …
    Tatsächlich hatte mein Exfreund, diese miese Ratte, einmal zu mir gesagt, er finde meine Stimme sexy. Es war also einen Versuch wert. Ich würde das natürlich, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal machen.
    Dass ich das Ganze nicht wirklich gründlich durchdacht hatte, wurde mir spätestens beim Vorstellungsgespräch klar, das in jeder Hinsicht abstoßend war. Ich hatte mir im Vorfeld keine wirkliche Vorstellung davon gemacht, wie Furcht erregend die Realität aussah: Lange Reihen winziger Glaszellen, in denen Frauen mit Kopfhörern saßen und redeten. Sie redeten ohne Unterbrechung. Pausenlos blinkten irgendwelche Lämpchen auf ihren Apparaten. Die meisten Frauen waren mittleren Alters, mit schlaffer Haut und knallbuntem Make-up und strahlten eine Gleichgültigkeit aus, die vielleicht grausam gewirkt hätte, wenn das Ganze nicht so trostlos gewesen wäre.
    Ich hatte auch nicht mit dem schmierigen Typ gerechnet, der
für einen Personalchef entschieden zu jung war und entschieden zu viele Piercings trug. Er würdigte mich keines Blickes, während er seine Worte an einem Zahnstocher vorbeiquetschte, der an seiner Unterlippe klebte. Seine Augen lösten sich nicht einen Augenblick von den Seiten eines Pornomagazins, das er gerade durchblätterte. »Alles klar, Süße. Acht Dollar die Stunde, und mindestens zwei Anrufe.«
    »Was heißt ›mindestens zwei Anrufe‹? Zwei
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