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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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geben.
    Als ich später einige der anderen Callgirls kennen lernte, stellte ich ihnen dieselbe Frage. Warum gilt unverbindlicher Sex mit einem Mann, den man in einer Singles-Bar aufgabelt, als akzeptabel, während Sex als geschäftliches Angebot tabu ist? Was ist moralischer? Marie meinte, sie habe sich entschlossen, für die Agentur zu arbeiten, als sie einmal ernsthaft darüber nachdachte, wie vielen Männern sie erlaubt hatte, ihren Penis in sie hineinzustecken, Männern, vor denen sie sich hinterher gruselte – und das alles umsonst.
    Das bringt einen doch ins Grübeln, oder?
    Mein Freund, die miese Ratte, hatte mich berühren, küssen und vögeln dürfen. Jetzt fühlte ich mich bei dem bloßen Gedanken an seinen Schwanz, seine Hände oder seine Zunge angewidert und irgendwie schmutzig.

    Und die absolute Krönung war ja wohl, dass ich am Ende ihn bezahlt hatte.
    Also schnappte ich mir den Phoenix, als ich zum Flughafen in Logan aufbrach, um nach England zu fliegen. Dort saß ich dann im Studentenwohnheim, weil ich mir nichts anderes leisten konnte, schlug den »After Dark«-Teil auf und las die Anzeigen.
    Um eine zog ich einen Kreis.
     
    Peach kam schnell auf den Punkt, als wir telefonierten. »Du kannst jeden Kunden ablehnen, wenn dir seine Stimme nicht gefällt, oder du sonst irgendwie ein komisches Gefühl hast«, erklärte sie. »Du kannst alles ablehnen, was du nicht willst. Ich gebe dir volle Rückendeckung. Das Einzige, was du nicht darfst, ist Kunden stehlen.«
    »Kunden stehlen?« Ich muss ziemlich verdutzt geklungen haben.
    »Genau, ihnen heimlich deine Telefonnummer zustecken, und deinen eigenen Deal mit ihnen machen. Dich hinter dem Rücken der Agentur mit ihnen verabreden. Sie versuchen es immer wieder. Die Stammkunden habe ich ganz gut im Griff, aber bei einem neuen Mädchen versuchen sie es trotzdem immer wieder.«
    Kunden zu klauen war mir noch gar nicht in den Sinn gekommen. Ich hatte gedacht, man ließ die Sache über eine Agentur laufen, damit sie einen beschützte. Das hatte ich sogar für den eigentlichen Sinn und Zweck einer Agentur gehalten. Na gut, ich räume ein, dass ich damals noch etwas naiv war.
    Peach hielt mir einen kleinen, offenbar gut einstudierten Standardvortrag, und ich versuchte, mir alles zu merken. »Dieses Geschäft ist reine Glückssache, manchmal läuft es ganz gut, manchmal weniger. Du hast das vorher noch nie gemacht? Umso besser: Die Männer mögen das. Ihnen gefällt die Vorstellung, dass sie die Ersten sind. Denk dran: du kannst immer Nein sagen und alles ablehnen. Genau eine Stunde. Ich bekomme 60 Dollar, du
bekommst den Rest. Das Trinkgeld ist für dich, aber freu dich nicht zu früh – die Achtziger sind vorbei. Die meisten geben heute kein Trinkgeld mehr. Also, probier es einfach mal aus. Beschreib mir, wie du aussiehst, und ich arrangiere ein Treffen für dich, danach kannst du dann entscheiden, ob es etwas für dich ist oder nicht.«
    Ich hätte schwören können, dass sie mitten in ihrem Vortrag ein Gähnen unterdrückte.
    Mir selbst war überhaupt nicht zum Gähnen zu Mute. Ich hatte vielmehr ein ziemlich beklommenes Gefühl, als ich ihre Fragen beantwortete. Doch offensichtlich gab ich die richtigen Antworten und bestand den innerbetrieblichen Test, dem ich unterzogen wurde. Nachdem ich ausgeredet hatte, entstand eine winzige Pause, dann erklärte Peach: »Hmm. In Ordnung. Du kannst dich heute Abend mit Bruce treffen. Ich weiß, er wird dich mögen.«
    » Heute ?« Bei aller Begeisterung erschien mir das etwas überstürzt. Zu real, zu schnell. Panik erfasste mich. »Peach, ich bin nicht dafür angezogen.« Ich trug Jeans und T-Shirt und darüber eine schwarze Weste und ein olivgrünes Leinenjackett. Das entsprach nicht meiner Vorstellung vom Outfit eines Callgirls. (Als ob ich irgendetwas darüber gewusst hätte: Ich hatte Half Moon Street und Pretty Woman gesehen. Darin erschöpften sich meine Kenntnisse. Man könnte also von einem etwas beschränkten Bezugsrahmen sprechen.)
    Außerdem war die Frage, wie ich angezogen war, nicht das einzige Problem. »Weißt du, ich hatte gehofft, dass wir uns persönlich treffen könnten, bevor ich anfange«, sagte ich. Eben wie bei einem richtigen Vorstellungsgespräch.
    »Das ist nicht nötig«, erklärte sie forsch. »Wenn du mich belügst, was dein Äußeres betrifft, sagt der Kunde mir hinterher die Wahrheit. Ich muss dich also vorher nicht sehen.«
    »Ich möchte es aber«, entgegnete ich und fand selbst, dass
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