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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl
Autoren: J Angell
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umging, auf denen zu lesen war: »In God we trust.« Amerikaner mussten bezahlen, wenn sie mit mir schlafen wollten. So konnte er ihnen ihre argwöhnischen Blicke und ihren Fremdenhass heimzahlen. Sie mussten bezahlen, aber er bekam mich umsonst, so oft und wann immer er wollte: »Ej, Alter, dafür gehst du in die Geschichte ein.«
    Ich sah mir einen Film im Fernsehen an, und nach einer Weile hörte ich nur noch diese Worte in meinem Kopf. Immer wieder. Es tat weh. Es tat so verdammt weh.
    Irgendwann fing ich an, mich selbst zu riechen, und ging fast automatisch unter die Dusche. Danach war es nur noch ein kleiner Schritt zum Einkauf im Lebensmittelladen. Am nächsten Tag machte ich meine Wäsche und stöpselte mein Telefon wieder ein.
    Peach schäumte. »Wo zur Hölle hast du gesteckt? Was ist mit deinem Telefon los? Ich habe jeden Tag bei dir angerufen. Es war, als wärst du vom Erdboden verschluckt.«
    Na ja, so was in der Art.
    »Ich finde das ziemlich egoistisch von dir«, knurrte sie weiter. »Vielleicht könntest du auch mal an andere denken. An mich zum Beispiel. Ich hatte auch Probleme, weißt du. Ich wusste nicht, was ich den Leuten sagen sollte.«
    Es war wirklich rücksichtslos von mir, nicht an Peachs Konversationsprobleme zu denken. »Tut mir Leid, Peach«, sagte ich müde. »Es ist jetzt vorbei.«
    »Dann kannst du also heute Abend arbeiten?«
    Ich atmete unwillkürlich scharf ein. Ich wusste nicht, ob ich den Kunden trauen konnte. Ich wusste nicht, ob ich mir selbst trauen konnte. Bei einer entsprechenden Provokation würde ich mein ganzes Elend vermutlich an irgendeinem Unglücksraben auslassen, der das Pech hatte, etwas Falsches zu sagen, zum Beispiel einen der Orte erwähnte, an denen ich mit Kai gewesen war, um verführerische Musik zu hören. Andererseits würde ich durchdrehen, wenn ich nicht bald aus meiner Wohnung herauskam. »Okay Peach, trag mich ein, wenn du die Telefone freischaltest.«
    »Prima. Großartig. Dann bis nachher.«
    Ich wollte versuchen, ins Land der Lebenden zurückzukehren. Ich feilte meine Nägel und trug ein bisschen roten Nagellack auf. Ich zupfte mir die Augenbrauen. Ich kremte mich überall mit Feuchtigkeitslotion ein und gönnte meinen Haaren die von meiner Großmutter vorgeschriebenen hundert Bürstenstriche. Ich schaute mir Jeopardy! im Fernsehen an und wusste alles in der Kategorie europäische Literatur, versagte aber kläglich bei den Fragen nach dem Periodensystem. Zum Schluss setzte ich alles auf eine Wissenskategorie und verlor, weil ich absolut keinen Schimmer hatte, welcher Präsident ein mir völlig unbekanntes Gesetz verabschiedet hatte, und aß dann zum Trost drei Kekse.
Beim augenblicklichen Tempo meiner Nahrungsaufnahme würde ich überhaupt nicht mehr für Peach arbeiten können, wenn ich nicht bald ins Sportstudio kam.
    Ich versuchte, mich für die neueste Patricia Cornwell zu erwärmen, ärgerte mich wie gewöhnlich über ihre Grammatikfehler und beschloss, gleich morgen einen Brief an ihren Lektor zu schreiben, obwohl ich genau wusste, dass es wie immer bei der Absicht bleiben würde.
    Um neun entschied ich, bei Peach nachzufragen. Fast alle meine Stammkunden verabredeten sich am liebsten am frühen Abend, andererseits war ich eine Weile nicht verfügbar gewesen, und ich machte mir keine Illusionen darüber, wie loyal sich Peach unter solchen Umständen verhielt. Wenn sie den Kunden überreden konnte, ein anderes Callgirl zu treffen, tat sie es. »Hallo, hier ist Jen. Du hast dich ja gar nicht wieder gemeldet. Was ist denn los?«
    »Maues Geschäft heute Nacht.«
    Ich war meine vier Wände mehr als leid. »Ich nehme alles, was du anzubieten hast, Peach. Ich muss hier unbedingt mal raus.«
    Schweigen. Das bedeutete entweder, dass sie nachdachte oder dass sie vom Fernsehprogramm gefesselt war. Falls gerade Ally McBeal lief, bekam ich ihre Aufmerksamkeit unter Umständen überhaupt nicht zurück. Es ging das Gerücht, sie habe ihre Mutter in die Warteschleife gestellt, als die Serie lief. »Es ist nichts los, Jen. Gib mir noch’ne Stunde, ja? Ich versuch, was für dich aufzutreiben.«
    In einer weiteren Stunde würde ich längst wieder darüber nachgrübeln, was passiert war, und mich mindestens 30 Mal wie eine komplette Idiotin gefühlt haben. »Keine einzige Anfrage? Komm schon, Peach, es muss nicht Prince Charming sein.«
    »Hör mal«, schnappte sie. »Die einzige Anfrage, die ich im Moment vorliegen habe, ist von dem Pakistani in Cambridge,
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