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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Autoren: Jennifer Worth
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Ei möchte.«
    Die kommenden Wochen waren der Beweis für ihr Durchhaltevermögen und ihre körperliche Kraft. Hätte sie ein Leben in Luxus und Müßiggang geführt, wie es ihre aristokratische Herkunft ermöglicht hätte, ich bin mir sicher, sie wäre trotz der Penizillinbehandlung gestorben. Doch ein Leben voll anstrengender Arbeit hatte sie zäh wie einen alten Stiefel gemacht. Eine kleine Lungenentzündung konnte sie nicht umbringen. Sie erholte sich schnell und reagierte gereizt, als der Arzt auf weiterer Bettruhe bestand. Sie glaubte nur eine leichte Erkältung zu haben und konnte sich nicht erinnern, warum sie überhaupt im Bett lag. Sie nannte den Arzt zwar nicht direkt einen Dummkopf, aber sie sah ihn auf eine Weise an, dass weder er noch irgendjemand sonst an ihrer Meinung zweifeln konnte.
    »Ich will nicht so tun, als könnte ich Ihrer großen Weisheit folgen, Doktor, aber wir werden immer ganz auf Gott vertrauen. Habe ich recht verstanden, dass ich Besuch empfangen darf?«
    Ja, Schwester Monica Joan durfte Besuch empfangen (solange er sie nicht ermüdete), etwas zu lesen bekommen (solange es ihre Augen nicht zu sehr anstrengte) und essen, was sie wollte (solange es ihre Verdauung nicht durcheinanderbrachte).
    Schwester Monica Joan lehnte sich behaglich in ihren Kissen zurück. Bücher wurden besorgt und Mrs B. bekam den Auftrag, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.
    Das Schlafzimmer einer Nonne nennt man ihre Zelle und es ist klein, karg, einfach und ohne Komfort eingerichtet. Seit ihrem Rückzug als aktive Hebamme hatte es Schwester Monica Joan jedoch geschafft, die Dinge so zu drehen, dass ihre Zelle vergleichsweise geräumig, bequem und hübsch eingerichtet war: Als elegantes Wohn-Schlaf-Zimmer wäre es angemessen beschrieben. Laien haben für gewöhnlich keinen Zutritt zur Zelle einer Nonne, aber Schwester Monica Joan hatte gerade dem Arzt das Einverständnis entlockt, dass sie Besuch empfangen durfte, und so begann eine glückliche Zeit in meinem Leben.
    Ich besuchte sie jeden Tag, und immer, wenn ich ihr Zimmer betrat, umgab mich ein fast schon greifbares Gefühl von Ruhe und Frieden. Sie saß aufrecht im Bett, ohne Anzeichen von Krankheit oder Ermüdung, ihr Schleier saß perfekt, ihr weißes Nachthemd war hochgeschlossen, ihre weiche Haut undurchsichtig und ihre großen Augen klar und durchdringend. Ihr Bett war stets von Büchern bedeckt und bei ihr lagen mehrere Notizbücher, in denen sie mit einer sauberen, eleganten Handschrift umfangreiche Notizen machte.
    Ich entdeckte, dass sie eine Dichterin war. Das hätte mich vermutlich nicht wundern sollen, aber so war es. Sie hatte ihr ganzes Leben hindurch Gedichte geschrieben, in ihren Notizbüchern hortete sie eine Sammlung von mehreren Hundert Werken, die zum Teil noch aus den 1890er-Jahren stammten.
    Mit Lyrik kenne ich mich nicht gut aus – ich habe kein Ohr dafür. Doch es beeindruckte mich, wie beständig sie neue Werke geschrieben hatte, und bat darum, sie mir ansehen zu dürfen. Sie zuckte lässig mit den Schultern.
    »Nimm. Ich habe keine Geheimnisse, meine Liebe. Ich bin nur ein Funke im Feuer des Göttlichen.«
    Viele Abende lang studierte ich ihre Gedichte. Ich hatte mit religiöser Lyrik gerechnet, da sie von einer Nonne stammten, aber sie hatten andere Inhalte. Es gab viele Liebesgedichte und viele andere waren satirisch oder komisch. Etwa:
    Ein Anblick gehört zu den schönsten im Leben:
    Die Fliege, die in Ruhe sitzt,
    Putzt sich, bis ihr Gesichtchen blitzt,
    Auf meinem Lieblingslesesitz.
    Hebt die Beine, schrubbt Arsch und Flügel
    Und lässt sich Zeit
    Wie die Schöne vorm Spiegel
    oder:
    Gesang einer fettleibigen Dackeldame
    Beide machen sie Schrittchen
    Meine Zehen und Tittchen
    Wenn spazieren und rennen ich muss
    Soll ich jemanden heuern
    Um sie rundzuerneuern?
    Oder heißt es bald »Zitzen adieu!«
    Und dann Schluss?
    Aber das hier ist mein liebstes:
    Ist man wirklich mal dicht
    Störts in Brighton meist nicht
    Aber Vorsicht, meist doof
    Ist das Breitsein in Hove.
    Es handelte sich bestimmt nicht um hohe Dichtkunst, aber ich fand, dass sie einen gewissen Charme besaßen. Vielleicht war es aber auch der Charme von Schwester Monica Joan, der meinen Eindruck prägte.
    Ich entdeckte ein erhellendes Gedicht über ihren Vater, das mir viel über die frühen Jahre ihres Lebens verriet:
    Grantiger, liebloser, ruppiger Papa
    Verknöcherter alter Knabe, fürwahr –
    Wie du’s allein schaffst!
    Stößt in dein Horn wie ein
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