Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Autoren: Jennifer Worth
Vom Netzwerk:
herrlichen weißen Helm und lange weiße Handschuhe, die ihm eine Art märchen- oder operettenhafte Ausstrahlung verliehen. Er bemerkte Schwester Monica Joan, und da er vorausahnte, was passieren würde, drehte er sein Pferd mitten auf der Straße, hob seine behandschuhte Hand, um dem Verkehr in beiden Richtungen Einhalt zu gebieten, und gab ihr ein Zeichen, dass sie die Straße überqueren könne. Als sie an ihm vorbeikam, drehte sich Schwester Monica Joan um, sah zu Pferd und Reiter auf und sagte laut und deutlich: »Danke schön, junger Mann, das ist sehr nett von Ihnen. Aber Sie müssen sich keine Umstände machen. Ich bin in Sicherheit. Die Engel passen auf mich auf.« Dann warf sie den Kopf zurück und ging zügig weiter.
    Dieses Ereignis lag, als ich sie kennenlernte, bereits Jahre zurück. Ihre inneren Widersprüche hat es also immer schon gegeben, auch wenn sie vielleicht mit dem Alter stärker hervortraten. Manchmal fragte ich mich jedoch, ob sie ihre berühmte Exzentrik nicht vielleicht bewusst pflegte, weil es ihr kindliche Freude bereitete, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wie in der Episode mit dem Cellisten. Der arme Kerl, es muss ihn völlig aus der Bahn geworfen haben, und ich schaudere noch bei dem Gedanken an die arme Pianistin.
    All Saints an der East India Dock Road war und ist bis heute eine hoch angesehene Kirche und nimmt in der Diözese einen besonderen Rang ein. Sie wurde im klassischen Regencystil erbaut, ist wunderschön geschnitten, ihre Innendekoration ist ein wahres Juwel und sie hat eine makellose Akustik, die sie zu einem vortrefflichen Konzertsaal macht.
    Der Pfarrer hatte einen weltberühmten Cellisten überzeugen können, dort aufzutreten. Cynthia und ich hatten den Abend freibekommen, um das Konzert zu besuchen. Im letzten Moment hatten wir überlegt, wie nett es doch wäre, Schwester Monica Joan mitzunehmen. Nie wieder!
    Es fing schon damit an, dass sie darauf bestand, ihr Strickzeug mitzunehmen. Weder Cynthia noch ich protestierten, wie wir es hätten tun sollen, doch so schlau waren wir erst im Nachhinein. Wir betraten die Kirche, die bereits voll war, und Schwester Monica Joan wollte in der ersten Reihe sitzen. Wie eine Witwe von edlem Geblüt rauschte sie den Mittelgang hinunter, derweil Cynthia und ich als ihre Zofen hinter ihr hertrotteten. Sie setzte sich in die Mitte der vordersten Reihe, genau gegenüber dem Stuhl, der für den Cellisten bereitstand, und wir setzten uns rechts und links neben sie. Jeder kannte Schwester Monica Joan und von Beginn an war mir mulmig zumute.
    Die Stühle waren zu hart. Schwester Monica Joan zappelte und brummelte bei ihren Versuchen, mit ihrem knochigen Hintern auf dem hölzernen Stuhl die richtige Sitzposition zu finden. Wir boten ihr ein Kniepolster an, aber es half nichts. Es musste ein Kissen sein. Kaplane liefen hin und her und steckten ihre Nasen in alle Sakristeischränke, fanden aber nichts. Zur Ausstattung einer Kirche gehörte alles Mögliche – nur offenbar keine weichen Kissen. Ein längeres Stück Vorhangstoff kam der Sache noch am nächsten. Es wurde gefaltet und unter ihr Gesäß gelegt. Sie seufzte und schaute den jungen Kaplan an, der neu in der Gemeinde war und ihr gerne zu Diensten sein wollte.
    »Wenn das das Beste ist, was Sie zu bieten haben, dann wird es wohl genügen müssen.« Ihr scharfer Tonfall vertrieb das Lächeln aus seinem Gesicht.
    Der Pfarrer trat vor, um das Publikum zu begrüßen, und sagte, dass in der Pause Kaffee gereicht werde.
    »Und nun ist es mir eine große Freude, jemanden willkommen zu heißen, der – «
    Er wurde unterbrochen.
    »Haben Sie auch entkoffeinierten, falls jemand keinen Kaffee trinkt?«
    Der Pfarrer schwieg. Der Cellist, der bereits einen Fuß auf die Bühne gesetzt hatte, hielt inne.
    »Entkoffeinierten Kaffee? Das weiß ich wirklich nicht, Schwester.«
    »Wenn Sie vielleicht so gut wären, einmal zu fragen?«
    »Ja natürlich, Schwester.«
    Er gab einem der Kaplane ein Zeichen, es herauszufinden. Ich hatte den Pfarrer noch nie verunsichert erlebt. Es war eine ganz neue Erfahrung.
    »Darf ich nun fortfahren, Schwester?«
    »Ja, natürlich.« Gnädig neigte sie den Kopf.
    »… ist es mir eine Freude, mit Ihnen allen hier in All Saints zwei berühmte Musiker zu begrüßen …«
    Sie verbeugten sich vor dem Publikum. Die Pianistin nahm am Klavier Platz, der Cellist rückte seinen Stuhl zurecht. Im Publikum wurde es still.
    »Sie trägt Brokat, meine Liebe.«
    Schwester Monica
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher