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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Autoren: Jennifer Worth
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bis zu den Knöcheln blauschwarz vor Kälte und bluteten. Von hinten betrachtete ich diese traurigen alten Füße, die sich wie Knochen eines Skeletts, nur überzogen von faltiger, bläulicher Haut, verbissen einem Ziel entgegenschleppten, das nur ihr umwölkter Geist kannte.
    Ohne Schleier und Habit war sie fast nicht wiederzuerkennen und ein fast schon grotesker Anblick. Ihre wässrigen, rot unterlaufenen Augen tränten. Ihre Nase war knallrot und an ihrer Spitze hatte sich ein Tautropfen gebildet. Es versetzte meinem Herzen einen Stich und mir wurde bewusst, wie gern ich sie hatte.
    Wir holten sie ein und sprachen sie an. Sie sah uns an, als kenne sie uns nicht, und versuchte, uns zur Seite zu schieben.
    »Bitte aus dem Weg jetzt. Ich muss zu ihnen. Die Fruchtblase ist schon geplatzt. Dieser grobe Kerl wird das Baby umbringen. Das Letzte hat er auch umgebracht, ich schwörs euch. Ich muss dorthin. Aus dem Weg.«
    Ihre blutenden Füße machten noch ein paar Schritte. Chummy warf ihr den warmen Wollmantel um die Schultern und ich zog meine Mütze aus und setzte sie ihr auf. Die plötzliche Wärme schien sie wieder zur Vernunft zu bringen. Ihre Augen wurden klar, sie schien uns zu erkennen. Ich beugte mich zu ihr hin und sagte langsam: »Schwester Monica Joan, es ist Zeit fürs Frühstück. Mrs B. hat leckeren Haferbrei für Sie gekocht. Mit Honig. Er wird noch kalt, wenn Sie jetzt nicht kommen.«
    Sie sah mich begeistert an und sagte: »Haferbrei! Mit Honig! Oh, herrlich. Dann kommt mal mit. Was steht ihr da rum? Hast du Haferbrei gesagt? Mit Honig?«
    Sie machte zwei Schritte und schrie dann vor Schmerz auf. Offenbar hatte sie noch nicht bemerkt, dass sie sich an den Füßen verletzt hatte und blutete. Gott sei Dank war Chummy so groß und kräftig. Sie hob Schwester Monica Joan hoch, als sei sie ein Kind, und trug sie bis zum Nonnatus House zurück. Eine Meute neugieriger Kinder folgte uns.
    Wir alarmierten Mrs B., die sich große Sorgen machte.
    »Oh, die Arme. Bringt sie rauf ins Bett. Sie muss ja ganz durchgefroren sein, die Gute. Hoffentlich holt sie sich nich den Tod. Ich besorg mal ’n paar Wärmflaschen und mach ihr Haferbrei und ne heiße Schokolade. Ich weiß ja, was sie gern mag.«
    Wir brachten sie ins Bett und ließen sie in den treu sorgenden Händen von Mrs B. zurück. Wir hatten noch die Arbeit eines ganzen Morgens vor uns und mussten los.
    Ich erledigte meine Morgenbesuche wie in Trance. Im Leben kommt es hin und wieder vor, dass einen die Liebe völlig unerwartet überfällt und die dunklen Winkel der Seele mit einem Strahlen erhellt. Es kommt vor, dass man von einer Schönheit und Freude gefangen genommen ist, die sich ohne jede Vorahnung der Seele bemächtigt. Als ich an diesem Morgen mit dem Fahrrad umherfuhr, wusste ich, dass ich nicht allein Schwester Monica Joan liebte, sondern auch alles, wofür sie stand: ihren Glauben, ihre Berufung, ihre klösterliche Arbeit, die Glocken, das andauernde Gebet, die Stille und den selbstlosen Einsatz im Dienst Gottes. War das womöglich – der Schock warf mich fast vom Fahrrad – die Liebe Gottes?

Im Anfang
    Schwester Monica Joan bekam eine Lungenentzündung. Sie fiel in einen tiefen Schlaf, nachdem Chummy und ich sie an diesem kalten Morgen in ihr Bett gelegt hatten, und blieb den ganzen restlichen Tag wie bewusstlos liegen. Ihre Körpertemperatur stieg, ihr Puls pochte und ihre Atmung war sehr schwach. Über Nonnatus House lag eine traurig-gedämpfte Atmosphäre. Wenn es in der Kapelle zum Stundengebet läutete, klang es wie der düstere Vorbote einer Trauerglocke. Wir glaubten alle, dass sie stirbt. Doch wir hatten zwei wichtige Faktoren nicht bedacht: Antibiotika und ihr phänomenales Stehvermögen.
    Heute sind Antibiotika etwas so Gewöhnliches wie Kaffee. In den 1950er-Jahren waren sie noch eine relativ neue Errungenschaft. Heute hat ihr übermäßiger Einsatz ihre Wirkung bereits geschmälert, aber in den 1950er-Jahren waren sie eine wahre Wundermedizin. Schwester Monica Joan hatte nie zuvor Penizillin genommen und sprach sofort darauf an. Schon nach wenigen Injektionen sank ihre Temperatur, ihr Puls wurde wieder normal, das Rasseln in ihrem Brustkorb verschwand und sie öffnete die Augen. Sie sah sich um. »Ich weiß wirklich nicht, warum ihr alle hier nutzlos herumsteht. Habt ihr nichts zu tun? Ihr glaubt wohl, dass ich sterbe. Na, da habt ihr euch geschnitten. Ich sterbe nicht. Ihr könnt Mrs B. sagen, dass ich zum Frühstück ein gekochtes
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