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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg
Autoren: James S. A. Corey
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»Umea?«
    »Ich glaube, wir sind so weit. Fragen Sie bei der Operationszentrale nach, laden Sie, und raus damit.«
    »Ich sage sofort Bescheid. Sie bleiben hier.«
    Die Frau nickte. Doktor Strickland ging hinaus. Die Frau mit dem hübschen Gesicht beobachtete Mei, ohne zu lächeln. Mei mochte sie nicht.
    »Ich will mein Bild haben«, verlangte Mei. »Das ist nicht für Sie. Das ist für meine Mommy.«
    Die Frau hob das Bild hoch, als hätte sie es ganz vergessen, und entrollte es.
    »Das ist Mommys Weltraummonster«, erklärte Mei. Jetzt lächelte die Frau. Sie hielt das Bild hoch, das Mei sich sofort schnappte. Dabei verknitterte sie es ein wenig, aber das war ihr egal. Wieder verschränkte sie die Arme vor der Brust, machte eine finstere Miene und grunzte.
    »Magst du Weltraummonster, Mädchen?«, fragte die Frau.
    »Ich will zu meiner Mommy.«
    Die Frau kam näher. Sie roch nach künstlichen Blumen, und die Finger waren dürr. Sie hob Mei von der Liege herunter und stellte sie auf den Boden.
    »Komm mit, Mädchen, ich will dir etwas zeigen.«
    Die Frau entfernte sich, Mei zögerte einen Moment. Sie mochte die Frau nicht, aber allein sein mochte sie noch weniger. Also folgte sie ihr. Die Frau ging einen kurzen Gang hinunter und tippte in die Tastatur einer großen Metalltür, die an eine Luftschleuse erinnerte, einen Code ein. Als die Tür aufschwang, trat sie hindurch. Mei folgte ihr. Der Raum dahinter war kalt. Mei mochte es nicht. Hier gab es auch keinen Behandlungstisch, sondern nur einen großen Glaskasten, so ähnlich wie ein Aquarium, aber im Inneren trocken, und was dort drinnen saß, war auch kein Fisch. Die Frau winkte Mei näher heran und klopfte an die Scheibe.
    Das Ding im Inneren hob den Kopf. Es war ein Mann, aber er war nackt, und die Haut sah nicht wie Haut aus. Die Augen glühten blau, als hätte er ein Feuer im Kopf. Und mit den Händen stimmte etwas nicht.
    Er streckte sie zum Glas aus, und Mei schrie.

1 Bobbie
    »Snoopy ist schon wieder draußen«, sagte der Gefreite Hillman. »Sein vorgesetzter Offizier muss ziemlich sauer auf ihn sein.«
    Gunnery Sergeant Roberta Draper vom Marsianischen Marinecorps verstärkte die Vergrößerung ihres Helmdisplays und blickte in die Richtung, in die Hillman deutete. In 2500 Metern Entfernung trampelten vier UN-Marinesoldaten umher und hoben sich als Silhouetten vor der riesigen Kuppel des Gewächshauses ab, das sie bewachten. Die Kuppel war in so gut wie jeder Hinsicht derjenigen, die ihre eigene Abteilung bewachte, zum Verwechseln ähnlich.
    Einer der vier UN-Soldaten hatte seitlich am Helm schwarze Flecken, die an die Ohren eines Beagles erinnerten.
    »Ja, das ist Snoopy«, stimmte Bobbie zu. »Heute war er zu ausnahmslos allen Patrouillengängen eingeteilt. Ich frage mich, was er angestellt hat.«
    Der Wachdienst vor den Gewächshäusern von Ganymed drehte sich vor allem darum, die Langeweile zu bekämpfen. Dazu gehörten auch Spekulationen über das Leben der Marinesoldaten auf der anderen Seite.
    Die andere Seite. Achtzehn Monate vorher hatte es noch keine Seiten gegeben. Die inneren Planeten waren eine große, glückliche und leicht verhaltensgestörte Familie gewesen. Dann hatte sich Eros in Bewegung gesetzt, und jetzt teilten die beiden Supermächte das Sonnensystem unter sich auf. Der einzige Mond, den keine Seite aufgeben wollte, war Ganymed, die Kornkammer des Jupiter-Systems.
    Er war der einzige Mond mit einer Magnetosphäre und deshalb der einzige Ort, wo in Jupiters starkem Strahlungsgürtel Nutzpflanzen in Kuppeln gedeihen konnten. Trotzdem mussten die Gewächshäuser und Wohnbezirke mit Abschirmungen versehen werden, um die Zivilisten vor den acht Rem zu schützen, die Jupiter jeden Tag auf die Oberfläche des Mondes abstrahlte.
    Bobbies Rüstung war stark genug abgeschirmt, um Minuten nach einer Atombombenexplosion durch den Krater marschieren zu können, und daher ebenfalls geeignet, marsianische Marinesoldaten davor zu schützen, von Jupiter gebraten zu werden.
    Hinter den irdischen Soldaten, die dort drüben patrouillierten, glühte die Kuppel auf, als ein Strahl des schwachen Sonnenlichts, das die riesigen Orbitalspiegel einfingen, auf das Bauwerk fiel. Trotz der Spiegel wären die meisten terrestrischen Pflanzen vor Lichtmangel gestorben. Nur die stark modifizierten Spielarten, die die Wissenschaftler auf Ganymed entwickelt hatten, konnten in dem spärlichen Licht gedeihen, das die Spiegel lieferten.
    »Bald geht die Sonne unter.«
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