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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar
Autoren: Gisbert Haefs
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wiederholen sollte. Worauf willst du hinaus?«
    »Ich will dich - euch - warnen. Töte mich und ein paar Dutzend andere, und vielleicht kommt einen Tag später der Befehl, uns leben zu lassen.«
    »Was sollte ich denn mit dir machen?«
    »Gib mir ein Pferd und laß mich frei.«
    »Damit du Gleichgesinnte auftreibst und uns überfällst?«
    »Ich hatte Caesar ein halbes Jahr Arbeit versprochen. Das halbe Jahr ist vorbei, die Arbeit ist getan. Wozu auch immer. Ich will nach Kyzikos. Feststellen, was aus Kalypso geworden ist. Danach? Einen Freund besuchen, am Rand der Skythensteppe.«
     
    Natürlich sagten sie ihm, es werde seinen Kopf kosten, sich in der Nähe römischer Truppen zu zeigen. Aber sie ließen ihn frei; nicht nur, wie es schien, wegen der unklaren Verhältnisse in Rom und der fehlenden Anweisungen, sondern auch, um nicht den größten Teil des Stabs und der Lagermannschaften ebenfalls hinrichten zu müssen. Oder deren bewaffnete Gegenwehr zu bewirken.
    Er packte seine Sachen in einen Beutel, zählte sein Geld, beschloß, mit den sechshundert Denaren, die er besaß, auszukommen und keinen Versuch zu unternehmen, die ihm von Caesar zugesagten zwanzigtausend zu verlangen. Reisebeutel, Reiseumhang, Decken, Schwert, Messer. Und Erinnerungen, aber die hatte er zu tragen, nicht das Pferd.
    In Kyzikos erfuhr er, Kalypso habe mit einigen Männern gesprochen und sei mit diesen fortgeritten. Wohin? Nach Osten. Freiwillig oder gezwungen? Man wußte es nicht; allerdings habe sie wie eine Schlafwandlerin gewirkt. Mohn, dachte Aurerius, und vielleicht noch etwas, um Aufsehen zu vermeiden und sie nicht niederschlagen und tragen zu müssen. Aber wer konnten die Männer sein? Sklavenhändler würden sich nicht solche Mühe geben. Dann dachte er daran, daß sie einmal für die Ägypter gearbeitet und daß deren Handlanger ihn und Orgetorix entführt hatte. Ägypter? Kappadokier? Leute aus Pontos? Parther?
    Also ritt er nach Osten, landeinwärts. Hin und wieder fand er Leute, die behaupteten, eine Gruppe von Männern mit einer schönen Frau gesehen zu haben. Einmal hieß es, sie sei gefesselt gewesen, dann wieder, sie sei frei mit ihnen geritten. Er folgte einer Spur aus Gerüchten und unsicheren Aussagen, über Rastplätze von Karawanen und durch Gasthäuser für Fernhändler. Eine Griechin, sagte man, und ein halbes Dutzend Galater. Als er Galatien erreichte, sagte der Knecht eines Gasthauses, es habe sich nicht um Galater gehandelt, sondern um Kappadokier. In Kappadokien hieß es, die Männer seien wahrscheinlich Armenier und die Frau vielleicht Makedonin.
    Im Herbst, in den armenischen Bergen, sagte ihm ein Schäfer, zweifellos seien die Männer Parther gewesen, die Frau dagegen wohl eher eine Römerin.
    In der alten armenischen Hauptstadt Artaxata fand er einige parthische Händler, die bereit waren, ihn in ihre Heimat mitzunehmen. Römer seien dort zwar keinesfalls willkommen, sagten sie, und seine Suche sei aussichtslos. Dumm außerdem; er solle sich doch einfach eine andere Frau suchen, oder am besten gleich mehrere, falls ihm wieder eine abhanden komme. Aber man wolle ihm gern helfen. Einer der Männer hatte, wie sich herausstellte, vor Jahren »vergnügliche Geschäfte« mit Aristeias aus Tanais gemacht und lud Aurelius ein, sich in Ekbatana seiner Gastfreundschaft zu ergötzen und vielleicht weitere Erkundigungen anzustellen.
    Bei diesem Händler verbrachte er den Winter. Im Frühjahr gab er schließlich alle weiteren Versuche auf. Die Spur war verloren, niemand wußte etwas, und in den unendlichen Weiten des Partherreichs bis zur Grenze Indiens, in Bergen und Wüsten und Städten, einen bestimmten Menschen suchen?
    Fast drei Monate brauchte er von Ekbatana zur Hafenstadt Trapezos. Von dort brachte ihn ein Schiff übers Meer nach Norden, zur großen Taurischen Halbinsel und dann durch den kimmerischen Bosporos nach Tanais. Als er an Land ging, besaß er noch zwei Drachmen.
    Aristeias begrüßte ihn wie einen verlorenen und nach tausend Jahren wiedergefundenen Bruder. Sein Geld sei angekommen, sagte er, und was er nun zu tun beabsichtige? Es gebe Wein und Frauen, Musik, gute Pferde, um in die skythische Steppe zu reiten, oder Schiffe für Reisen auf dem großen Tanaisstrom.
    Aurelius zögerte eine Weile. Irgendwann zu Beginn des Winters begriff er, daß er sich von der Vergangenheit abtrennen mußte - wie er sich von Rom gelöst hatte, mußte er die Verbindung zu sich selbst, zur eigenen Geschichte kappen, um
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