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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar
Autoren: Gisbert Haefs
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es mein Beruf, immer bestens gekleidet zu sein. Heute streune ich mit einem hinkenden Greis durchs Gestrüpp und weiß nichts von Stoffen und Schnitten und dem, was die edlen Römerinnen tragen.«
    »Komm.« Er schob seinen Arm unter ihren und zog sie zur Treppe des Portals. »Komm, ehe ich beschließe, daß wir uns ohne Kleider in den Büschen viel besser zerstreuen können.«
    Einer der ersten, denen sie begegneten, war Marcus Antonius, der zwei junge Frauen untergehakt hielt und sich im Gehen von einer den Becher an den Mund halten ließ.
    »Vergebt, ihr Schönen«, sagte er. »Ich muß eine Göttin begrüßen.« Er ließ die beiden los und verneigte sich vor Kalypso.
    »Wo hast du den da aufgetrieben?« Er zwinkerte Aurelius zu.
    »Er sieht aus, als käme er von der Arbeit im Hafen - du dagegen scheinst eben vom Sockel im Tempel der Flora gestiegen zu sein. Komm, laß uns ein paar alte Freunde ärgern. Aurelius kann sich ohne dich viel besser verstecken.«
    Kalypso lachte ein wenig gezwungen, konnte sich aber nicht ohne Gewalt aus Antonius‘ Griff befreien. Sie warf Aurelius einen Vergebung erheischenden Blick zu und ließ sich in die Tiefen des Hauses ziehen.
    Aurelius grinste leicht, nahm einen Becher mit einer Mischung aus Quellwasser, Fruchtsaft und Wein von der Platte, die ein schwarzer Sklave ihm hinhielt, und wanderte langsam durch die Räume, die Gänge, das erste Atrium. Auf der Terrasse hinter den Gemächern jenseits des zweiten Atriums begegnete er Tiberius Claudius Nero, mit dem er einige höfliche, kühle Worte wechselte. Man mochte gemeinsam gekämpft haben, aber für einen Angehörigen des Hauses der edlen Claudii war auch ein zum Legaten erhobener Plebejer ein Plebejer.
    Aurelius machte sich nicht viel daraus. Er kannte Nero, und es gab genug andere Männer, mit denen er im Lauf des Abends kurze freundschaftliche Gespräche führte. Oder kurze unfreundliche; hierzu gehörte ein kurzer Wortwechsel mit Caesars Großneffen Octavius, der kaum achtzehn war, sich offenbar beim hispanischen Feldzug ausgezeichnet hatte und in wenigen Tagen nach Apollonia in Epirus reisen würde, um dort Studien zu betreiben. Er fragte Aurelius nach seinen Erfahrungen mit der Gegend und den Leuten; da diese bestenfalls karg waren, endete die Unterredung bald. ›Der junge Mann‹, dachte Aurelius, ›war ein Messer, das noch in einer unansehnlichen Scheide steckte. Jemand würde es einmal ziehen; dann mußte sich herausstellen, ob es ausreichend geschliffen war oder stumpf und zerbrechliche Er hielt ihn für ein sehr scharfes Messer, des Großonkels würdig, war sich aber nicht ganz sicher.
    Irgendwann stand er plötzlich vor Servilia, die mit einer Dienerin gesprochen hatte und sich umdrehte, als er hinter ihr vorüberging. Er verneigte sich, sagte »Ave, domina« und wollte weitergehen, aber sie berührte seinen Unterarm.
    »Du hast vor Jahren sehr gut gekocht«, sagte sie mit einem schnellen, warmen Lächeln. »Quintus Aurelius, nicht wahr? Magst du dich mit einer alten Frau auf eine Bank setzen und ein wenig plaudern?«
    Mit etwa Mitte fünfzig strahlte sie immer noch eine warme Sinnlichkeit aus; Aurelius begriff, warum Caesar sie angeblich seit so vielen Jahren liebte. Und sie war schön, nicht blendend schön, sondern von ruhiger, gelassener, selbstbewußter Schönheit, die mit wenig Schminke und einem einzigen Schmuckstück auskam. Dieses allerdings war unbezahlbar: eine schwarze Perle, die Caesar ihr geschenkt hatte. Von feinsten Silberfäden gehalten, hing sie an Servilias Hals. Zuerst übersah man sie, aber wenn man sie einmal bemerkt hatte, konnte man kaum den Blick von ihr lösen. Denn sie schien in ihrer Tiefe und ihrem verhaltenen Glimmen den Kosmos zu bergen.
    »Edle Frauen haben kein Alter, nur Reife«, sagte Aurelius, »und schöne Frauen brauchen nicht zu fragen: Sie befehlen. Wo darf ich neben dir sitzen?«
    Sie lachte. »Komm, gehen wir in den Garten. Es ist noch nicht zu kühl.«
    Unterwegs winkte sie einem Sklaven, der ihnen zwei frisch gefüllte Silberpokale brachte. Als sie sich in einer kleinen Laube niedergelassen hatten, sagte sie:
    »Bevor du dich über meine Anwesenheit wunderst, will ich dir sagen, Calpurnia und ich sind alte Freundinnen. Wir haben nie unter einander… gelitten.«
    »Die edlen Häuser schließen Verbindungen, bei denen ausschließende verzehrende Leidenschaft unwichtig ist, nicht wahr?«
    »Politik«, sagte sie. »Seltsame Spielerei, Politik. Sie führt auch dazu,
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