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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar
Autoren: Gisbert Haefs
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war, erschrak er nicht, als er diese Stimme aus dem Dunkel hörte: ölig, aber nicht reinigend; fettig, aber nicht nahrhaft; bedeutend, aber nicht wichtig - so hatte man sie und ihren Besitzer genannt.
    »Ave, Marco Tullio«, sagte er. »Tritt näher; ich bin in der Küche.«
    Er hörte Poltern und eine Art Grunzen. »Es ist dunkel hier«, sagte Cicero dann. »Soll ich mir die Beine brechen?« Es klang wie alle Unbill des Kosmos, Stimme geworden.
    »Eile langsam durchs Reich der Schatten«, sagte der andere. »Man könnte aber auch leuchten und lüften. Hat sich hier der Minotaurus erbrochen?«
    »Schlimmer. Einige Priester und Senatoren.« Aurelius bemühte sich um einen lockeren Tonfall; dabei war ihm keineswegs heiter zumute. Zwei edle Männer, früh am Morgen… Wenn es darum gegangen wäre, das Contubernium für eine Feier zu mieten oder Beschwerden über allzu weitreichende Gerüche vorzubringen, hätten sie einen Sklaven oder Burschen geschickt. Sich zu zweit beraten konnten sie anderswo besser. Essen? Nein; sie würden zweifellos gefrühstückt haben, und für alles andere war es zu früh.
    »Was ist das?« Wieder die ölige Stimme des großen Mannes, diesmal ein wenig näher. »Schnarcht da jemand?«
    »Der ist von gestern übriggeblieben.«
    »Wir haben etwas mit dir zu besprechen. Ohne Zeugen.«
    »Der da ist kein Zeuge. Er ist betrunken und schläft. Aber zu deiner Beruhigung will ich nachsehen.«
    Aurelius zündete am Herdfeuer einen Span an und ging in den Speisesaal. Im kargen Licht sah er Cicero und den anderen zwischen zwei Tischen stehen und zu ihm herüberschauen.
    In der Ecke, abgeschirmt durch einen gekippten Tisch, lag der Dichter auf einer Bank und schnarchte. Als Aurelius sich über ihn beugte und ihn stupste, öffnete er das linke Auge, zwinkerte zweimal und schloß es wieder, ohne dabei das Sägen einzustellen.
    »Abgefüllt und ohnmächtig.« Er wandte sich den Besuchern zu. »Wo möchten die Herren sitzen?«
    »In der Küche ist Licht«, sagte der zweite Mann. »Licht, Luft und ein Hauch von Wärme, wenn ich mich nicht irre.« Er stieß gegen etwas, vielleicht einen Schemel, knurrte eine Verwünschung und folgte Aurelius in die Küche.
    »Gäbe es vielleicht einen Sitz?« Cicero blieb im Durchgang zur Küche stehen, musterte den Herd, den Bottich mit Spülwasser, den Rahmen mit straffer, durchscheinender Schweinsblase, der die Fensteröffnung verschloß, und seufzte leise.
    »Ich bringe Schemel«, sagte Aurelius. »Wenn die Herren damit vorliebnehmen mögen.«
    »Sie mögen.«
    Er stellte ihnen zwei Schemel hin und ging zum Herd. Dort lehnte er sich mit dem Gesäß an die warmen Steine und schob die Hände unter die Lederschürze.
    Die Wärme von hinten erschien ihm tröstlich. Von den beiden Besuchern ging eine Kälte aus, die er nicht begründen, aber auch nicht mißachten konnte. Marcus Tullius Cicero betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen; dann ließ er den Blick auf den Schemel sinken und bewegte den Fuß, wie zu einem Tritt.
    Etwas an dem zweiten Mann kam Aurelius bekannt vor. Jemand, den er gesehen hatte, wahrscheinlich einer, den man kennen sollte. Er streifte eben den dicken Umhang ab, den er offenbar auch in der Sänfte getragen hatte. Darunter kam eine lange wollene Tunika zum Vorschein, ein schlichtes Gewand ohne Streifen oder Spangen. Am kleinen Finger der linken Hand glitzerte ein goldener Ring.
    »Was ist euer Begehr?« sagte Aurelius, als ihm das Schweigen lange genug gedauert hatte.
    Der Zweite lachte und sah Cicero an. »Er will wissen, was wir von ihm wollen. Dabei müßte er es sich doch denken können. Sag es ihm - du bist vertrauenswürdiger, Cicero; dich kennt er.«
    ›Schmeicheln kann nicht schaden‹, dachte Aurelius, ›und Cicero ist eitel. ‹ Laut sagte er, mit einer kleinen Verbeugung:
    »Wer kennt ihn denn nicht, den Retter der Republik und Vater des Vaterlandes?«
    »Es tut wohl, so etwas zu hören.« Der beleibte Politiker spitzte den Mund. »Aber was wird es sein? Natürlich geht es um das, worum es immer geht. Geld.«
    »Geld?« Aurelius preßte unwillkürlich die Lippen zusammen. »Ich habe keines.«
    Was nicht stimmte. Natürlich hatte er Geld - sie alle, die das Contubernium gemeinsam betrieben, hatten Geld. Acht alte Soldaten, mit den üblichen Abfindungen ausgeschieden, mit ein paar Sklaven - Kriegsbeute - und Erinnerungen und Wunden… Sie hatten das alte Gehöft und das halbe Tal billig kaufen können, die andere Hälfte etwas teurer;
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