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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar
Autoren: Gisbert Haefs
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Selbstzufriedenheit des Politikers war nicht zu beflecken. Jedenfalls nicht durch dummes Gerede eines bloßen emeritus, der einmal Centurio gewesen war und nun sein Geld als Gastwirt verdiente.
    »Du hast mir da gewiß einiges voraus, Herr«, sagte Aurelius. »Erleuchte die Finsternis meines Unwissens. Welche Leistung, die einer wie ich vielleicht erbringen könnte, wäre einem wie dir so viel wert?«
    »Du sollst niemanden umbringen«, sagte Cicero. Er reckte das Kinn, bis die Kringel darunter straffes Fleisch zu sein schienen. Befehlsgewohnte Entschlossenheit machte sich auf dem breiten Gesicht schmal, um die zusammengepreßten Lippen.
    »Im Gegenteil. Du sollst jemanden nähren und schützen.« Der Wirt schwieg, rührte noch einmal im Topf und füllte zwei Tonbecher mit der dampfenden Mischung aus Sud und Wein. Ein paar Tropfen ließ er auf den Boden schwappen, für die mutmaßlichen Götter. Er bezweifelte jedoch, daß einer von ihnen dort weilen mochte, wo Cicero sich befand.
    »Bitte sehr, edle Herren. Ich weiß, daß Reisende unsere Betten und Speisen rühmen, und selbst nobilissimi aus Rom, die Häuser in Tusculum besitzen, suchen uns zuweilen auf.
    Aber… hunderttausend Denare? Vierhunderttausend Sesterze? Wer eine Garküche betreibt, könnte nach Abzug aller Ausgaben vielleicht acht Sesterze am Tag gewinnen. Für eine solche Summe könnt ihr viele Köche mieten. Viele küchentüchtige Sklaven kaufen. Und, was den Schutz angeht, sehr viele Wächter einstellen.«
    Beide tranken. Ein paar Atemzüge lang war nichts zu hören außer dem Knistern des Herdfeuers, dem Schnarchen des Dichters nebenan und dem Wind, der sich draußen bekräftigte, indem er eine Dachkante jaulen und rattern ließ.
    »Gaius«, sagte Cicero. Aurelius dachte, er rede den anderen an, aber dann setzte er mit einem kaum hörbaren Seufzer hinzu: »Iulius Caesar.«
    »Caesar? Der hat genügend Wächter. Acht Legionen, oder sind es inzwischen zehn? Und Köche hat er auch.« Etwas Kaltes, spitze Finger eines Winterdämons, griff nach seiner Leber.
    »Er hat viel Geld für einen guten Koch ausgegeben, das ist wahr.« Der zweite Mann trank, starrte in den Becher, nickte und musterte dann den Wirt. »Ein sehr guter Koch, der im Sommer für Caesars über jeglichen Zweifel erhabene Gemahlin Calpurnia kocht und im Winter für Caesar. Im Winterlager. Aber er taugt nicht fürs Feld. Für Märsche und Kämpfe und karge Vorräte.«
    »Ich auch nicht.« Unwillkürlich schaute Aurelius zu Boden, auf seinen rechten Fuß. »Ich kann nicht marschieren, und Kämpfe? Davon habe ich mehr gehabt, als für zwei Leben nötig sind.«
    »Ich weiß.« Cicero legte den Kopf in den Nacken und blickte zur Decke hinauf. »Hunderttausend. In deiner Abwesenheit werden wir darauf achten, daß nicht etwa Räuber oder Gesetze sich über dieses Anwesen hermachen.«
    »Wer sagt, daß ich eine Abwesenheit erwäge?«
    »Solltest du aber.« Der andere deutete ein Lächeln an, ließ dabei jedoch zu viele Zähne blicken. »Bei fortgesetzter Anwesenheit hier könntest du unter Plünderern leiden. Oder unter Gesetzen.«
    Aurelius hatte keinen Zweifel daran, daß die Drohung ernst gemeint war. Und daß die beiden mühelos imstande waren, eine solche Drohung auszuführen. Ein Wort, ein Fingerschnippen würde genügen.
    Ohnmächtige Wut, mehr empfand er nicht. Sie füllte ihn aus, wie Milch, wenn sie kocht, einen Topf ausfüllt, dessen Boden sie zuvor kaum bedeckt hat.
    »Warum?« Mehr brachte er nicht heraus. Jedes weitere Wort hätte Brechreiz ausgelöst. Er wäre durchaus bereit gewesen, den beiden Herren sein Innenleben vor die Füße und über die Gewänder zu speien. Aber nicht in der eigenen Küche.
    »Warum?« Cicero schloß die Augen. Er verschränkte die Arme so, daß die Hand mit dem Becher in der linken Ellenbeuge ruhte. »Er soll lange leben und irgendwann wohlgenährt sterben. Vielleicht plaudert er, wenn sein Bauch gefüllt ist. Du sollst ihn nähren und schützen und achtgeben, wenn er etwas sagt. Etwas über seine Pläne.«
    »Achtgeben«, sagte der andere, »daß nicht böse Menschen ihn zu vergiften versuchen.«
    »Warum ich?«
    »Weil er dich kennt.« Cicero öffnete die Augen und sah den Wirt an, eher gleichgültig. »Weil du ihn kennst. Weil wir dich und deine Leute hier kennen. Und deine Familie. Weil er dir vertrauen wird.«
    »Vertrauen?« In der Stimme des anderen lag so etwas wie Verachtung. »Caesar? Wem?«
    Cicero winkte ab. »Ich weiß, er vertraut
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