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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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Kaiser gesehen hat, ist möglich. Vielleicht hat er eben darum die militärischen Dinge noch bereinigen wollen. Er hielt ihn sicher für kein Genie.
    117 stieg Hadrian auf den Thron, 138 stieg er wieder herunter. Er starb nach langer, anscheinend sehr schmerzhafter Krankheit in Baian, von dessen Schwefelquellen er sich vergeblich Linderung versprochen hatte. Er hat nie gejammert, er war körperlich so hart, wie er seelisch weich war. Für unsere heutigen Begriffe unterstrich sein martialischer kurz gekräuselter Bart diese Härte. Für die damaligen Begriffe unterstrich er jedoch genau das Gegenteil: die seelische Empfindsamkeit, denn es war der Bart der griechischen Philosophen, und die waren keine Sportler. Seit Hadrian trug in Rom nun jedermann Bart, der zur high society gehören wollte.
    Hadrian ist menschlich sehr ergiebig, als Objekt der Geschichte nicht. Er hat niemals »die Wölfin gezähmt«, denn die Wölfin war zu diesem Zeitpunkt schon alt, fett, faul und räudig.
    Er war ein getreuer fleißiger Verwalter des Reiches, das er zwölf Jahre lang kreuz und quer durchreist hat, um sich nicht auf Berichte und auf Hörensagen verlassen zu müssen. Er fühlte sozial, ohne verschwiemelt zu sein. Von hervorragenden Juristen ließ er einen umfassenden Rechtskodex schriftlich ausarbeiten, auf den die Juristerei des ganzen Abendlandes zurückgeht. Es hat in seinem Leben zwei aufregende Ereignisse gegeben: den Aufstand der Juden unter ihrem berühmten Führer Bar Kochba und die Begegnung mit Antinoos. Den Aufstand in Palästina schlug er mit einer Härte nieder, die einem Octavian alle Ehre gemacht hätte. Allerdings war etwas vorausgegangen: Auf Cypern, einer jüdisch-phönizischen Kolonie, hatten, sofern die alten Quellen die Wahrheit sagen, die Juden in einem Massaker zweihunderttausend Griechen und Römer abgemurkst und noch einmal so viel in der Cyrenaica. Die Zahlen sind allerdings schwer zu glauben. Hadrian schleifte fast alle Städte Palästinas und machte die Juden für eintausendachthundert Jahre heimatlos.
    Das andere Ereignis, die Begegnung mit Antinoos, bestand er nicht als Sieger. Sie ist das eigentliche Romanthema Hadrians. Antinoos war ein belangloser zwanzigjähriger Junge aus Bithynien (am Bosporus), von müder, schläfriger Schönheit und energieloser Melancholie. Der Kaiser, von den emanzipierten, zügellosen römischen Frauen seit langem abgestoßen, entbrannte in einer geradezu verzehrenden Leidenschaft zu ihm. Was ihn so völlig in seinen Bann schlug, war nicht nur die Schönheit (es gibt ca. dreihundert Bildnisse von Antinoos; seine Züge sind so griechisch geometrisch, daß sie an Langweiligkeit grenzen), sondern es war vor allem die Wesensverwandtschaft. Auch Hadrian war ein Melancholiker, ein Verlorener im Getriebe der Welt, ein Pessimist und schwermütiger Wanderer zwischen Tag und Traum. Antinoos schmolz vor Hadrian hin und Hadrian vor Antinoos. Der eine, Hadrian, vor dem Ebenbild Apolls, der andere vor der Faszination der Kaiserkrone, vor der Liebe eines Jupiter.
    Hadrian nahm den Jungen zu sich. Jahrelang melan-cholierten sie sich an und wurden der Prototyp der zahlreichen heutigen Hadriane und Antinoose, die leider so wenig von der spielerischen Heiterkeit der Griechen haben. In ganz Hellas sind nicht so viele Tränen geflossen und Weltschmerzseufzer zischend der Brust entwichen wie bei ihren Nachfolgern im Zwanzigsten Jahrhundert. Wie schade. Sündigt, Freunde, aber sündigt fröhlich!
    Eines Tages nahm Antinoos sich das Leben. Der Grund war wohl, daß er, den damaligen mystischen Anschauungen folgend, mit seinem Opfertod das Leben des Kaisers verlängern wollte.
    Er erreichte das Gegenteil. Hadrians Gemüt verdüsterte sich zusehends, er hat den Tod seines Lieblings nie verwunden. Er gründete die Stadt Antinoopolis zu Ehren des Toten, gab einem Sternbild seinen Namen (heute Sternbild des Adlers), baute ihm Tempel und erhob ihn zu den Göttern.
    Die letzten acht Jahre ähnelte Hadrian dem menschenscheuen, mißtrauischen, abweisenden alten Tibe-rius. Und als seine Krankheit, eine Infektion aus dem kleinasiatischen Feldzug, ausbrach, wurde er vollends ein stumm leidender, mißliebiger, ja geradezu verhaßter Eremit. Was die wenigsten Geschichtsbücher berichten: Als er starb, war der Senat drauf und dran, über ihn wie einst über Caligula und Nero die damnatio memoriae auszusprechen. Sein Nachfolger Antoninus schlug noch rechtzeitig die zum Schwur erhobenen Hände herunter.

    *

    Das
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