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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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Nerva Caesar Augustus. Zum Verrücktwerden! Aber er wurde nicht verrückt, er veränderte sich überhaupt nicht.
    Als die Gemahlin Domitians damals Kontakt mit einer Verschwörergruppe aufgenommen hatte, war der Senat durch Vertrauensleute davon verständigt und in der Hoffnung bestärkt worden, daß es diesmal klappen würde. Man wußte, daß Domitian keinen Nachfolger designiert hatte, allein schon, weil ihm der Gedanke an seinen Tod so unerträglich war. Der Senat, mit dem Instinkt des Angsthasen und zugleich mit der Ordnungsliebe des Amtsschimmels, hatte als erstes Ausschau gehalten nach jemandem, den man bei der Ermordung Domitians holterdipolter dem Volk und der Prätorianertruppe als Nachfolger vorsetzen konnte. Aber es gab weit und breit keinen legitimen und zugleich akzeptablen Anwärter. Da fiel der Blick der Versammlung auf die vertrauenswürdige, in ihrem schönen weißen Haar so repräsentable Gestalt des alten Nerva, und sie faßten den unglaublichen Entschluß, diesen Mann aus ihrer Mitte zum Kaiser zu machen.
    Er wurde es. Die Prätorianer hielten still; das Volk schaute etwas blöde, das war alles.
    Nerva hat den Senat nicht enttäuscht. Er betrachtete sich im Grunde zeitlebens als dritten Konsul mit besonderen Vollmachten. Er tat nie etwas ohne den Senat — außer einmal, und das war geradezu ein Geniestreich voh ihm. Es war im Jahre 87. Die Legionen zeigten seit kurzem ihren Mißmut gegen den unimposanten Bürochef Nerva, worauf sofort auch die Prätorianer die Gelegenheit ergriffen, gegen die Knickrigkeit des neuen Herrn zu protestieren. Sie waren das ständige Schmieren ihrer Gunst gewohnt, die Qualität der Kaiser war ihnen völlig gleichgültig, die Finanzlage interessierte sie nicht; patriotische Gesichtspunkte lagen ihnen meilenweit fern. Eines Tages kam es zur offenen Revolte.
    Zunächst bemächtigten sie sich der Domitianmörder und schlugen sie tot, und dann ergoß sich dieser Söldnerpöbel auf die Straßen und war im schönsten Zuge, Nerva herauszuholen. Aber der gewitzte Parlamentarier fand blitzschnell einen Ausweg. Er kam den Prätorianern zuvor, rief das Volk zu einer »wichtigen Nachricht« zusammen, verkündete eine in aller Eile zurechtfrisierte Siegesmeldung aus den Provinzen und schloß wie en passant daran die Mitteilung, um deret-willen er in Wahrheit die Menge zusammengerufen hatte: Er, der alte Mann, habe soeben einen Nachfolger erwählt, als Sohn adoptiert und zum Caesar ernannt! Das Volk, der ahnungslose Senat und die inzwischen angerückten Prätorianer zu Füßen Nervas standen verwirrt vor der überraschenden Wendung. Niemand konnte sich denken, welcher Name jetzt fallen würde und welcher Name die Prätorianer vom Platz fegen könnte. Ein falsches Wort, eine falsche Wahl, ein falscher Name, und Nerva mußte das Schicksal des alten Galba erleiden.
    Der Name, den er nannte, war allen bekannt. Kein zweiter Nerva, sondern ein Feldherr, ein großer Feldherr; ein gefährlicher Feldherr, der nicht mit sich spaßen ließe, wenn Nerva auch nur ein Haar gekrümmt würde, meine Herren Prätorianer: Trajan!
    Das Volk schrie auf vor Vergnügen, die Senatoren stießen einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, die Prätorianer schluckten kurz, ehe sie in den Beifall einstimmten. Ungehindert stolzierte der alte Nerva nach Hause, geschützt und umstrahlt von der Glorie, dem Reich einen berühmten Soldaten und bewunderten Sohn des Volkes als Nachfolger geschenkt zu haben.
    Es war tatsächlich eine Leistung. Nerva begründete damit das Prinzip der Adoptivkaiser; was besonders deutlich wurde, weil die nächsten drei Kaiser keine Söhne hatten und also dem neuen Weg folgen mußten. Nervas zweite beachtliche Tat, die etwas harmlos aussieht, aber menschlich sehr liebenswert und für diese Zeit erstaunlich ist, war die Errichtung einer Staatsstiftung zur Erziehung und Ausbildung armer Kinder (alimentarii pueri et puellae).
    Nach anderthalbjähriger Regierung, vom September 96 bis Januar 98, legte sich Nerva ergeben hin und verabschiedete sich von dieser Welt; nicht unzufrieden mit sich, womit er vollständig recht hatte.

    *

    Trajan war zu der Ehre der Adoption gekommen wie die Jungfrau in dem berühmten Sprichwort. Die Nachricht erreichte ihn in seinem Hauptquartier in Köln. Er war, seit seinem Konsulat vor vielen Jahren, so selten in Rom gewesen, daß Trajan den alten Nerva vielleicht nicht einmal wiedererkannt hätte. Er wunderte sich also des Todes. Er war berühmt, gewiß, aber das
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